Zwei zusätzliche bittere Einbußen hatte der wie alle Pariser Kochstars von Corona und den voraufgegangenen, Touristen abschreckenden Attentaten und Gelbwesten schon genug gebeutelte Alain („Dudu“) Ducasse zu verdauen: Erst verlor er das prestigeträchtige Restaurant auf dem Eiffelturm, dann das noch prestigeträchtigere im gehyptesten Hotel der Stadt. Das Jules Verne in bester Aussichtslage ausgerechnet an den Gemeinschaftsverpflegungs-Konzern Sodexo (der dort aber Frédéric Anton vom Drei-Sterne-Restaurant Le Pré Catelan machen lässt), das Alain Ducasse au Plaza Athénée ausgerechnet an den unbesternten Promi- und TV-Koch Jean Imbert. Um den Turm brachte sich Pächter Ducasse, weil er die Pariser Stadtverwaltung mit seiner Selbstherrlichkeit überstrapazierte, im Hotelluxus scheiterte Berater Ducasse an zu viel leerbleibenden Stühlen.
Die Pariser Presse – in aller Welt nachgedruckt – und die kulinarische Szene der Stadt begrub ihn unter beruflichen Nachrufen. Verletzendster Vorwurf: Der 65-jährige weigere sich partout zu altern, was ja nur selten entspannend wirkt, und sei immer noch fest überzeugt, die Maßstäbe der modernen Küche zu setzen. Dem versuchte er, in Paris entgegenzuwirken: mit der Eröffnung des Street food-Lokals Sapid an der rue de Paradis, seiner eisheiligen Manufacture de Glace und des Pop-up Museumsrestaurants Admo, gemeinsam mit dem Barcelona-Pleitier Albert Adrià. Das alles wirkte nur tapfer statt triumphal.
Mittlerweile fielen ihm öffentlichkeitswirksamere Mittel ein, den Ducasse-Glanz aufzupolieren. Zuerst animierte er den Pariser Bürochef der New York Times zu einer Eloge über das fleischfreie, Fisch und Getreide zu Dom Pérignon auftischende Admo, in der Ducasse als „unternehmerischer Perfektionist“ sowie für „extreme Raffinesse“ und „vollendete Eleganz“ gelobt wird und der „geniale“ Ducasse die von ihm verkörperte „unverwüstlichen Anziehungskraft der französischen Küche“ bejubeln darf. (Der Autor pries ihn auch als jüngsten Drei-Sterne-Koch der Geschichte; doch das war nicht Ducasse mit 33, sondern Heinz Winkler mit 31.)
Dann ging er mit BMW France eine „Exzellenzpartnerschaft“ ein. Gemeinsame Begründung: „Die Verbindung klingt naheliegend mit einem gemeinsamen großen Anliegen: dem der nachhaltigen Entwicklung. Für Alain Ducasse ist die Natur eine unerschöpfliche Inspirationsquelle: Sie bestimmt den Rhythmus der Küche. Im Bewusstsein seiner Verantwortung als Koch für die Schonung natürlicher Ressourcen arbeitet er ausschließlich mit saisonalen Produkten. Das Konzept der ‚Natürlichkeit‘ ist seine Maxime. ‚Vor der Küche steht die Natur‘ … Diese Umwelt- und Nachhaltigkeitsbelange sind seit mehr als 50 Jahren auch für BMW von zentraler Bedeutung.“
Sein Bravourstück in Selbstbehauptung gelang ihm letzte Woche, als er Paris-Match eine sechsseitige Reportage über ihn unter dem Titel „Der Gott der Herde“ auftischen ließ. Darin darf sich der „Inbegriff der französischen Gastronomie“ mit seinen 19 Sternen, 34 Restaurants und 1800 Mitarbeitern in 7 Ländern von Staatspräsident Emmanuel Macron rühmen lassen: „Alain Ducasse ist einer der ganz Großen der französischen Gastronomie, die nach Paul Bocuse unsere kulinarische Exzellenz durch die Erneuerung verewigen. Ein Mann mit Leidenschaft und Überzeugung, dank ihm hat sich der Beruf für Frauen geöffnet. Ducasse ist für eine ganze Generation die Verkörperung aller Möglichkeiten.“
Ducasse selbst konnte in Paris-Match, nach dessen Geschmack er „vom veganen Imbiss bis zu den opulentesten Salons virtuos die ganze Bandbreite der Gastronomie bespielt“, das loswerden, was ihm die Welt abnehmen soll: Er empfinde „keine Bitterkeit, keine Verbitterung, nur die Freude, sich in neue Abenteuer zu stürzen“. Doch es wird keines angekündigt…
* Foto: BMW France. Neben Ducasse, dem Präsidenten der von einer arabisch mitfinanzierten Holding in Brüssel dirigierten Groupe Ducasse Paris, steht seine letztes Jahr installierte Co-Präsidentin, die Wirtschaftsanwältin Véronique Lartigue, zuständig für die Expansion, Synergien und Wachstumssicherung. Gegenüber BMW France-Chef Vincent Salimon und Marketingdirektorin Estelle Suzenne.
Ducasse-Kurzvita: Geboren 1956 als Bauernsohn in den Landes, mit 16 Kochlehre in Soustons, Besuch des Lycée d’Hôtellerie et de Tourisme der Gascogne, ab 1975 Koch bei Michel Guérard, Gaston Lenôtre, Roger Vergé, Alain Chapel. 1984 überlebt er als einziger einen Flugzeugabsturz bei Courchevel, 13 Operationen. 1987 Louis XV in Monte Carlo (2008 Einbürgerung in Monaco). Seit 1989 nicht mehr Küchenchef, sondern mit der „transmission du savoir“ (Weitergabe von Wissen) beschäftigt – nach dem Motto: „imaginiere, erschaffe und übertrage“.