The World‘s 50 Best Restaurants kürte Natsuko Shoji aus Tokio zu Asia‘s Best Female Chef 2022 und jubelte: „Während ihrer Karriere in Weltklasse-Küchen und an der Spitze ihres eigenen Restaurants Été hat Shoji eine unnachahmliche Küche verfeinert, die von akribischer französischer Technik, japanischen Aromen und einem unverwechselbaren Geschmack für Haute Couture inspiriert ist.“ Wer diese Laudatio für zu schön hält, um wahr zu sein, ist Realist, kann der Küchenchefin ihren Erfolg aber immerhin ansehen – und bestätigt finden, dass 50 Best Restaurants eher ein Ranking der am besten vernetzten Köche ist.
Denn die Karriere von Natsuko Shoji in Weltklasse-Küchen verlief so: Nach ihrer Schulzeit, während der sie in ihrem Lieblingsfach Hauswirtschaft begeistert Windbeutel backte, lernte sie Pâtisserie im Tokioter Le Jeu de l‘Assiette und ergatterte mit 20 einen Anfängerjob im Florilège, das Zwei-Sterne für seine moderne französische Küche hat (Signature dish: Fleisch von der Wagyu-Kuh mit Kartoffelcreme und leicht zwiebeligem, gut gesalzenem Sud mit Petersilienöl und Kräutern). Im dritten Jahr unter Küchenchef Hiroyasu Kawate war sie Souschefin – und machte sich selbstständig. Der Anfang war schwierig. Die Banken fanden sie nicht kreditwürdig, denn Restaurants und deren Küchen sind in Japan noch immer Männersache. Sie fand kein erfahrenes Personal, weil niemand, der älter als die 23-jährige war, für sie arbeiten wollte. Und so startete sie 2014 in einem kleinen Wohnraum mit ihrer Konditorei Été, die sie ein Jahr später um das Restaurant Été mit vier Plätzen erweiterte.
Mit ihren Törtchen erreichte sie sehr schnell Berühmtheit, vermarktet als schöne Hommage an die Früchte und die Mode der Jahreszeiten, verkauft in schicken schwarzen Schachteln, die Schmuckschatullen ähnelten. Für ihr erstes Highlight faltete sie je nach Saison thailändische, mexikanische, australische oder heimische Miyazaki-Mango zu Rosenblüten, die sie auf Vanilleschotencreme drapierte. Danach ließ sie sich von der Handtaschenmode zu Torten für 150 bis 2.000 € inspirieren, alle auf Sablé-Basis und gerne mit Goldflöckchen garniert: Aus edlen japanischen Pfirsichen (zum Stückpreis von 10 €) und einer Puddingcreme imitierte sie Chanels Matelassé-Taschen und deren rautenförmige Nähte, aus Trauben der teuren Rebsorten Shine Muskat und lila Nagano sowie Limetten-durchsetzter Mascarpone-Creme formte sie das Punktmuster von Comme des Garçons, mit roten Akahoppe- und weißen Awayuki-Erdbeeren assoziierte sie das Damier-Muster von Louis Vuitton. Die Welt der Haute Couture bot der Tochter einer modebegeisterten Mutter das Schnittmuster ihrer Welt der Haute Cakes.
Wer die goutierte, konnte einen Platz am Esstisch bekommen oder durfte dort auf Empfehlung Platz nehmen. Normales Reservieren gab’s nicht. Der Ruf der schönen Natsuko Shojis lockte auch Ferran Adrià und Rene Redzepit – die allerdings kein jemals zitiertes Küchenlob spendeten. Ende 2019 zog das Été in neue, 400 m² bietende Räume. Die Konditorei ermöglicht seither Gästen, beim Design der Torten zuzuschauen; und das Restaurant lädt nun an eine Sechsertafel. An der wird mittags und abends ein 10-Gänge-Degustationsmenü serviert (350 bis 400 € inkl. Tipp und Steuern). Es beginnt derzeit mit Seeigel-Tarte und bietet dann beispielsweise Ayu (Fisch-) Taco mit fruchtiger Salsa, Fischlebersauce und Mayonnaise; Kaviar-gekröntes Millefeuille mit Schalottenmousse und Stachelbeergurken, dazu Lemon Curd; mit Pulver aus geröstetem und bouillon-gewürztem Klebreis bestäubtes gedünstetes Schweinefleisch; mit Schuppen knusprig gebratenen Amadai, der am Tisch heiß in Spargelbrühe getaucht wird. Damit erreichte sie schon Platz 83 der erweiterten Liste der 50 besten Restaurants in ganz Asien…
In Zukunft würde die Japanerin gerne mit Nike Kochuniformen zu einem für junge Köchinnen und Köche erschwinglichen Preis entwickeln, „weil Köche auch ein bisschen wie Spitzensportler sind“. Und in 5 Jahren sieht sie sich voller Selbstbewusstsein „wie die Gewinnerin der Auszeichnung für die beste Köchin der Welt“.
Fotos: Courtesy Été