Als Pionier des kalifornischen Chardonnays kam Stony Hill mit seinem 1952er in den Ruf des ersten Kultweinproduzenten im Napa Valley. Diesen Ruhm wollen nun drei Frauen aus der Wein-Avantgarde wahren, in dem sie fast alles auf den Kopf stellen. Die meiste Rebfläche wird neu bepflanzt, der Weinbau auf biologisch-dynamisch und regenerativ umgestellt, das Sortiment verändert – aber der strenge, herbe Chardonnay-Stil, der nie einer Mode wich, bleibt erhalten. Denn das neue, für die kalifornische Weinwelt überraschende Führungstrio des Traditionshauses ist zwar voller jugendlicher, zukunftsweisender Energie, aber dem Stil und Terroir von Stony Hill Vineyard verpflichtet. Winzerin Jaimee Motley, 37, die mal Malerei studierte und sich dann in den Weinbau einarbeitete, zählt in der Szene zu den innovativsten Youngstern Kaliforniens, Kellermeisterin Renee Berkus machte 2018 im Weinwissenszentrum Davis ihren Bachelor in Weinbau- und Önologie und Vineyard-Managerin Michaela Louise Kelly war bis 2020 Sommelière im Chikagoer Dreisternerestaurant Alinea.
Zu der Frauenpower in St. Helena kam es nach mehreren Besitzerwechseln. Zunächst verkauften die Kinder und Enkel von Fred und Eleanor McCrea, die Stony Hill 1943 erworben hatten und sowohl alle (eichigen, alkoholischen oder extravaganten) preistreibenden Chardonnay-Stilwechsel als auch den Rotwein-Boom im Napa Valley eisern ignorierten, 2018 an die Long Meadow Ranch, weil ihnen das Geld für nötige Investitionen und Folgen von Großbränden fehlte. Der neue Besitzer reichte Ende 2020 weiter an Gaylon Lawrence Jr., einen Investor aus Nashville (Tennessee), dessen Vater in der Landwirtschaft schwerreich geworden war. Der Junior kam 2018 zum Wein, als er für 180 Mio $ die Napa Valley-Ikone Heitz Cellar erwarb und dann die bekannten Burgess Cellars sowie bislang weitere fünf Güter hinzufügte. Als deren Geschäftsführer engagierte er den afroamerikanischen Master Sommelier Carlton McCoy, der keine Erfahrung mit Weingütern hatte. Beide setzen auf junge, unkonventionelle, aber inspirierte Führungskräfte und würden gern als Aufbrecher verkrusteter Strukturen des Napa Valley-Weinestablishments gesehen. McCoy war davon angetan, welch feine, delikate Weine Motley bei Pax Wine Cellars in Sonoma County aus der Mondeuse-Traube und aus Cabernet Sauvignon nach dem Motto machte: „Ehrfurcht vor der Natur und der Vergangenheit, Akzeptanz des Unbekannten und der Zukunft.“
In der bisherigen Weißwein-Hochburg Stony Hill dominiert künftig Rotwein, denn „die Umstellung auf Cabernet macht angesichts des Klimawandels einfach Sinn“, sagte Winzerin Motley. Chardonnay und die anderen Weißen, die in der Hitze nicht so gut abschneiden wie Cabernet, werden nur noch an den kühleren Hängen wachsen. Das Trio installiert auch ein neues Trainingssystem für die Reben und ändert die Beschneidungsmethode von Spornschnitt zu Stockschnitt, um die Gesundheit und gleichmäßige Reifung der Trauben zu fördern und sie vor der Klimaerwärmung zu schützen. Der Chardonnay wird weiter in großen, älteren Fässern statt der in Napa Valley üblich gewordenen kleineren Fässern aus neuer Eiche reifen und seinen Stil (schlank und subtil, voller Energie und Charakter) bewahren, aber fortan die in Kalifornien wie Burgund übliche malolaktische Gärung durchlaufen. Sie zu blockieren, hätte laut Motley zu viel Kaltalterung und Schwefeldioxid erfordert.
Als erster Journalist probierte Eric Asimow, die Weinnase der New York Times, die noch nicht fertigen 2021er Startweine des neuen Konzepts. Der Chardonnay schmeckte ihm „frisch und herzhaft, energisch mit Kräuter- und Mineralaromen“, den Heritage Blend aus Riesling und Gewürztraminer (deren Menge nicht für Rebsortenweine reichte) mit etwas Chardonnay beschrieb er als „rein, ausdrucksstark, erfrischend und trocken, mit schönen blumigen Aromen“ und den sehr jungen Cabernet fand er schon „schmackhaft und ausgewogen“. Für den bekennenden Fan des bisherigen Stony Hill „war dies sehr schön“.
Fotos: Stony Hill Vineyard