Vor Verbreitung von Handys spotteten Gastro-Journalisten: Köche rennen zu jeder Telefonzelleneröffnung, wenn ihnen jemand sagt, dass dort ein Gourmetpreis verliehen wird. Heute düsen sie zu jeder Award-Verleihung. Letzte Woche wurde nach Madrid in die Galería de Cristal des 1909 erbauten Palacio de Cibeles zu den The Best Chef Awards 2022 gebeten und es kamen Köche aus allen Kontinenten. Die kürzeste Anreise hatte der zum zweiten Mal gekürte Sieger, Dabiz Muñoz, 42, vom Madrider Restaurant DiverXO.

Veranstalter war The Best Chef Spółka z ograniczoną odpowiedzialnością in Krakau. Die GmbH mit einem Kapital von 5000 Zloty (1050 €) an der unscheinbaren Aleja Pokoju 26 gehört Joanna Dorota Ślusarczyk (die 91% hält) und Cristian Gadau. Die 36-jährige Gesellschafterin ist nach eigenen Angaben „Apothekerin, promoviert in Neuropharmakologie, und arbeitet nach sechsjährigen Studien über Depressionen und Schizophrenie in einem Labor (für Grundlagenwissenschaften) nunmehr an klinischen Studien“. Der 46-jährige Geschäftsführer gibt über sich preis, „in Sardinien geboren zu sein, als Oberkellner gearbeitet und in Krakau einen Neuanfang gewagt“ zu haben. Er fand dort als Küchenchef im Restaurant Il Vizio für seine „kulinarische Vision spontane Inspiration in den abstrakten Gemälden von Kandinsky, dem unnachahmlichen Wahnsinn von Salvador Dalì und den verrückten Mischfarben von Leonid Afremov“, als Patron betrieb er das Al Dente. Beide Lokale gingen Pleite.

2015 gründeten die Beiden The Best Chef mit diesem USP: „Der Mensch steht im Vordergrund. Die gastronomische Welt konzentriert sich oft auf das Restaurant oder die Location; The Best Chef versucht, dies zu ändern, indem es den Koch, seine Herangehensweise an das Essen und das, was ihn von der Masse abhebt, hervorhebt.“ Ihre Grundlage war der Auftritt im Internet. Seit 2017 verleihen sie Awards – von der Innovation über die beste Pizza bis zur Legende, zuerst in Warschau, dann in Mailand und seit 2019 in Spanien. Für ihre jährliche Top 100-Liste der besten Köche nominieren sie die 100 des letzten Jahres und 100 neue. Darüber stimmen dann online 150 „Fachleute wie Lebensmitteljournalisten, Kritiker, Blogger, Fotografen und andere bemerkenswerte Personen mit einem breiten Wissen über gehobene Küche“ sowie die 200 nominierten Köche ab. Das Ergebnis erreicht seine unnachahmliche Professionalität dadurch, dass die Stimmen gewichtet werden: Die Köche machen 70 % aus, die essenden Fachleute den Rest.

Obwohl die Veranstaltung in Madrid neben der polnischen Mineralwassermarke Perlage von der Stadt Madrid, dem Tourismo Madrid, der in Madrid residierenden NH Hotel Group, Iberia und einem weiteren guten Dutzend Institutionen und Unternehmen aus Spanien und Madrid gesponsert wird, schafften es nur 16 iberische Köche und 1 Pole (Przemysław Klima vom Bottiglieria 1881 in Krakau) unter die 100 besten der Welt – und gingen bei den top ten nur die Platz 1, 3, 5 und 7 an Spanier.

Warum zu so etwas Köche wie Alain Passard aus Paris, Josh Niland aus Sydney oder Alex Atala aus São Paulo anreisen, erklären sich Gastro-Journalisten damit, dass sich bei solchen Events viele junge Bloggerinnen tummeln, die Köche anhimmeln. (Ana Roš aus Kobarid als 9. und Anne-Sophie Pic aus Valence als 20. hatten sicher andere Gründe.)

BEST CHEF-FIRMENADRESSE IN KRAKAU

Fotos: The Best Chef Awards / Archiv