Wenn Sie mindestens 112.000 € für teuersten Bordeaux locker machen können, haben Sie die Chance, dass dessen Winzer Sie mit 9 Begleitern zum Mittagessen in sein Haus einlädt und Sie je eine handsignierte Flasche seines Liber Pater der Jahrgänge 2007, 2008, 2009, 2010, 2011, 2015, 2018 und 2019 bekommen; als Zugabe reicht er Ihnen noch 1 Kiste mit 9 Flaschen seines Zweitweins Denarius von 2015 und 2019. Diese Spende des Winzers Loïc Pasquets, 46, hat den höchsten Schätzwert der 100 Lose, die der New Yorker Weinhändler The Golden Vines auf seiner Fine Wine, Rare Spirit & Experience Auction vom 1. bis 16. Oktober online versteigert. Alle Spender bieten ein Paket mit großen Formaten oder Raritäten ihrer mehr oder weniger elitären Weingüter, Spirituosenhäuser oder Sammlungen sowie ein besonderes Rahmenprogramm. Denn den Erlös geht an die hochangesehene Gerard Basset Wine Education Charitable Foundation, die nach der 2019 verstorbenen Sommelier-Ikone benannt ist und Bildungs- und Nachwuchsförderungsprogrammen im Wein-, Spirituosen- und Gastgewerbesektor fördert.
So packt Penfolds in sein Paket (Schätzwert 90.000 €) eine 1962er Flasche Bin 60A, die Domaine de la Romanée Conti (34.000 €) eine Jeroboam (3 l) seines 2009er Romanée-Saint-Vivant und das Champagnerhaus Krug (34.000 €) je eine Jeroboam Grande Cuvée, Rosé, Vintage 2000 und 2003. Dazu spendieren alle drei u.a. Menüs für 2 bis 4 Personen in Dreisternerestaurants. Aus Deutschland beteiligen sich die Weingüter Egon Müller-Scharzhof, JJ Prüm und Eva Fricke; die übrigen 93 Lose kommen von 83 renommierten Winzern aus 15 Ländern und 10 betuchten Sammlern. Bieten kann jeder, der sich unter liquidicons.com/auction2022 registriert.
Die letztjährige Golden Vines-Auktion erbrachte 1,3 Mio $, darunter die 120.000 $ für die 18-l-Bouteille des 2011er Liber Pater aus der 2200-Seelen-Gemeinde Landiras, 36 Kilometer südlich von Bordeaux in der Appellation Graves. Dort etablierte sich der ehemalige Peugeot-Ingenieur Loïc Pasquet, der 2001 eine Weinhandlung eröffnete und 2004 Winzer wurde, als Hersteller des teuersten Weins aus Bordeaux. Er baut auf seinen 2,5 Hektar 14 Rebsorten für seine Cuvée an: unveredelten Cabernet Sauvignon, der früher Petit-Vidure genannt wurde, Tarnay Coulant, Petit Verdot, Castets, Pardotte, Cabernet Goudave, Saint-Macaire… Mit diesen „autochthonen Sorten auf wurzelechten Reben“ will er den Geschmack der Weine von 1855 wiederfinden, als Napoleon III. die Klassifizierung der Bordeaux-Weine erstellen ließ. Für dieses Ziel beschäftigt sich Pasquet („Ich bin kein Winemaker, ich bin Winzer“) nicht mit modernen Weinbautechniken oder computergesteuerter Fermentationsthermodynamik, sondern mit ungepfropften Rebstöcken und historischer Forschung und verwendet 400-l-Amphoren statt Fässer, die ja früher nur für den Transport gebraucht wurden.
Seinen ersten Jahrgang, 2006, verkaufte er für 80 € pro Flasche, den 2010er für 1.500. 2017 bekam er 5.000 €, mittlerweile sind es 30.000 für jede der 400 Flaschen. Die als knappes Luxusprodukt vermarkteten Bouteillen („Jenseits der Moden, jenseits der Zeit“), die jedes Jahr ein neues Etikett des Künstlers Gérard Puvis ziert, verkauft er zumeist an ausländische Kunden, vor allem in China und Russland. Sein Zweitwein, der Denarius (rund 1000 Bouteillen p.a.), ist ab Weingut für 500 € zu haben.
Wer nach der Auktion zu dem ausgelobten Lunch kommt, darf was Wohlschmeckendes erwarten. Denn der seit seiner Kindheit an frische Viktualien des Landlebens gewöhnte Pasquet verachtet standardisierte Lebensmittel und die vollständige Industrialisierung der Landwirtschaft.
Fotos: Vignoble Liber Pater, Landiras