Wenn irgendwo im Pizza-Universum höchste Ehren ausgerufen werden, ob vom Gambero Rosso oder Netflix-Chef’s Table, ob in 50 Top Pizza oder Best Chef Awards, immer fällt seit einem Jahrzehnt der Name Franco Pepe. Der serviert in seinem 300 Jahre alten Haus im Städtchen Caiazzo (50 km nördlich von Neapel) täglich 800 Pizza. Weltbekannt machte ihn und sein Lokal Pepe in Grani 2014 der Kalifornier Jonathan Gold, der als erster Gastrojournalist den Pulitzer-Preis gewonnen hat, in einem Food & Wine-Artikel unter der Überschrift: „Wahrscheinlich die beste Pizza der Welt“.
Damals zitierte Gold, nachdem er staunend gesehen hatte, wie Pepe den Teig in mühsamer Handarbeit knetet, dreht und schlägt, den Pizzaiolo: „Wir haben hier keine Maschinen, keine. Die einzige Technologie, die wir zulassen, ist ein Thermometer für den Ofen, aber es ist wirklich besser, die Farbe der Flammen zu beobachten. Technologie kann den Prozess besser machen, vielleicht präziser, aber sie ist kein Ersatz für deine Finger, deine Augen, deine Nase.“
Tempi passati. Letzte Woche berichtete die Gold-Witwe Laurie Ochoa, Food-Chefin der Los Angeles Times, in ihrem Blatt: „Der Slow-Food-Held Franco Pepe wendet sich der Technik zu, um die Zukunft der Pizza zu retten.“ Warum und wie, erzählte er anlässlich seiner TV-Aufnahmen in L.A. am Beispiel der früher sehr beliebten Pizza Capricciosa. Für die warf man ein Übermaß an Belägen – wie Artischocken, Champignons, Oliven, Kochschinken, Tomaten, Mozzarella, Basilikum und manchmal Kapern und Sardellen – auf den Teig und schob sie oft sogar mit den frischen Kräutern in den Ofen. Aus dem kam sie, weil laut Pepe die Tomaten zu 95 %, die Oliven zu 70 und der Mozzarella zu 58 % aus Wasser bestehen, in der Mitte matschig heraus. Deshalb und aufgrund der unterschiedlichen Garzeiten der Produkte setzt der 59-jährige nun auf technische Abhilfe wie den Dörrautomaten. Er wandelt Tomatensauce in geschmacksintensive Tomatenblätter und trocknet Oliven plus Kapern zu grobem Pulver. Simplere Technik frittiert die mit Mehl bestäubten Champignons und püriert das Basilikum mit Olivenöl und Eiswürfeln (um die Farbe zu erhalten). Mit dem Teig gebacken werden nur noch Mozzarella, Artischocken und Schinken. Darauf kommen dann die bearbeiteten Produkte sowie Tropfen des Öls von passierten Sardellen und Punkte des Basilikumpürees – und fertig ist, was Franco Pepe (auch bei seiner technisierten Margherita) wie der Hohepriester beweihräuchert: „Der Pizza wird ihre Würde zurückgegeben.“
Noch feierlicher wird die Backware sicher durch sein Engagement für den elektrischen Pizzaofen, „der für mich nach dem Holzofen als ideale Alternative kommt“. Sein Modell, vorne offen und kuppelförmig wie ein traditioneller Ofen und binnen einer Stunde zu 500° fähig, diene auch der Umwelt, in der Holz- und Gasöfen zunehmend als Auslaufmodelle angesehen werden. Genauso zukunftsorientiert wie die Herstellung denkt er auch den Gehalt der Pizza 2.0: gesünder und bekömmlicher. Wer soviel Einsatz für Technik und gegen Kohlehydrate beargwöhnt, den beschwichtigt Pepe mit dem Primat seiner Pizza-Profession: „Das wichtigste bleibt der Geschmack.“
Foto: Pepe in Grani