In seinem Geschäft mit dem Luxus kann LVMH gar nicht hoch genug hinaus. Beim Wein ist es schon auf 2600 Metern: An den Hängen des Meili-Schneegebirges will es „einen einzigartigen chinesischen Wein mit globalen Perspektiven“ produzieren. Dessen Mandarin-Name ist Programm, denn Ao Yun heißt „über den Wolken fliegen“. Mit diesem Kunststück soll der in Sauternes geborene Weingutsherr Maxence Dulou, 45, etwas wiederholen, was dem Konzern einst in den USA durch seine Winery im Napa Valley gelang: Auf einem Markt der Zukunft bei Beginn des großen Geschäfts nicht hereindrängender ausländischer Anbieter, sondern etablierter Produzent im Lande zu sein.
Als LVMH 2008 auf die Weinidee in China kam, engagierte es den schon im kalifornischen Napa Valley behilflichen (2019 verstorbenen) australischen Winzer und Dr. der Chemischen Physik Tony Jordan, ein geeignetes Weinbaugebiet auszukundschaften. Nach einem Jahr fand er 99 % des Riesenreiches ungeeignet – wegen der strengen Winter und Frostrisiken oder übermäßiger Niederschläge und hoher Luftfeuchtigkeit – und ein Stückchen gelobtes Land: das mildere Mikroklima in Adong, einem Dorf am Fuße des Meili-Gebirges an der Grenze zu Tibet. Dort war Wein schon länger ein Thema: Im 19. Jahrhundert pflanzten missionierende Jesuiten an den steilen Hängen Reben (wahrscheinlich für ihren Messwein) und ab 2000 setzten tibetanische Bauern auf Order der Pekinger Regierung aus Frankreich importierte Rebstöcke der Sorten Cabernet Sauvignon und Cabernet Franc für chinesische Weinbemühungen. 2013 kamen durch Jordans Aktivitäten die ebenfalls typischen Bordeaux-Sorten Merlot und Petit Verdot sowie Syrah hinzu. Mittlerweile erntet Ao Yun von 30 Hektar Weinbergen in vier Dörfern, 2.200 bis 2.600 m hoch gelegen. Voller Marketing-Bewusstsein verortet LVMH die Gegend, die zu den ärmsten in China gehört, an den Fuß des Himalayas und verwechselt die nächstgelegene chinesische Stadt Shangri La mit dem gleichnamigen fiktiven paradiesischen Ort des Kultromans „Lost Horizon“ (Der verlorene Horizont) in Tibet.
Die vinologischen Tücken der Höhenlage meistert seit 2013 der in Bordeaux diplomierte Önologe Maxence Dulou, der zuvor nach Jobs in der Heimat sowie in Südafrika und Chile im Château Quinault (Saint-Emilion) arbeitete, das 2008 von LVHM- und Cheval Blanc-Eigner Bernard Arnault aufgekauft wurde. „Die geringere Anzahl Sonnenstunden in den Weinbergen wird teilweise durch das stärkere ultraviolette Licht in großen Höhen ausgeglichen“, erläutert Dulou, „zudem ernten wir erst im Oktober, teilweise bis Ende November.“ Und um die 25 % weniger Sauerstoff in dieser Höhe auszugleichen, vergärt er einen Teil des Weins in porösen Baijiu-Tongefäßen, die einen stärkeren Sauerstoffaustausch ermöglichen als Stahltanks.
Das Ergebnis fand die Anerkennung von 93 bis 96 Punkten bei Wine Advocate und James Suckling, die Masters of Wine Jancis Robinson and Jeannie Cho Lee attestierten das Niveau von Grands Crus und Premium-Barolos. Die 24.000 Flaschen des ersten Jahrgangs (2013), die 2016 auf den Markt kamen, brachten es auf gut 300 $ per Bottle; bei Käfer in München ist er noch für 359 € zu haben; den jüngsten Jahrgang, den 2016er, gibt’s (woanders) ab 270 €. Stolz bilanziert Dulou: „Ao Yun beweist der Welt, dass China ein außergewöhnliches Luxusprodukt schaffen kann.“
Foto: © Ao Yun