Das mit Abstand meistbestellte Gericht im letzten September eröffneten Erfolgsrestaurant Miller & Lux ist der Caesar Salad. Nicht weil er die Gastronomie in San Francisco krönt, sondern weil ihn Küchenchef Tyler Florence zumeist selbst am Tisch der Gäste zubereitet, auf einem Servierwagen, der er persönlich mit einer Fülle von wählbaren Beilagen heranrollt (Foto oben). Vor ihm fuhr schon ein Schaumweinwagen zum Aperitif vor, nach ihm kommen beispielsweise die großen Seezungen, die am Tisch entgrätet und mit zitroniger brauner Butter beträufelt werden, oder der Dessertwagen mit mindestens sechs Douceurs.
Da auch in den Restaurants Estiatorio Ornos (siehe Beitrag vom 5. November), Red Window oder Vault neuerdings Essen & Trinken zum offensichtlichen Wohlgefallen der Gäste anfahren, orakelte der San Francisco Chronicle angesichts der Renaissance der noblen Servierwagen vorgestern: 2022 wird der Service am Tisch Furore machen. Denn der auch im US-Fernsehen und Kochbuchmarkt erfolgreiche Tyler Florence, der Culinary Arts studierte und einen Ehrendoktor der Johnson & Wales University (in Providence südlich von Boston) für sein Genusswerk hat, begründet sein Konzept mit dem derzeitigen Lebensgefühl: Als die Menschen nach der Pandemie wieder in Restaurants essen durften, sehnten sie sich nach Zuwendung und Spektakel – nach allem, was sich spezieller anfühlt, als daheim auf ihrer Couch aus der Kochbox zu essen. „Ich denke, was wir bieten, wirkt wie soziales Serotonin.“
Sein Glückshormon-Rezept wird auch von Zeitgeistlichen geglaubt. Dass die nach dem zermürbenden Zweiten Weltkrieg auftauchenden Roving Carts fürs Flambieren von Bananen und Mixen von Tatar am Tisch (die nach zwei Jahrzehnten bis auf die Käsewagen wieder aus der Mode kamen) nun erneut willkommen sind, testieren auch die Trendforscher. „Das hat einen theatralischen Aspekt: Man bekommt nicht nur ein Abendessen, sondern wird auch unterhalten. Und man fühlt sich solange im Mittelpunkt, wie es dauert, etwas zuzubereiten”, glaubt man bei af&co|Carbonate. Die Hi Neighbor Hospitality Group betont den Werbe- und Marketingeffekt: „Diesen Service am Tisch zu haben, erhöht nicht nur dort das Erlebnis, sondern sorgt auch für Begeisterung im Raum. Wenn man sieht, dass woanders etwas flambiert wird, schaut man hin und ist neugierig.“
Die insgesamt sieben Wagen im Miller & Lux sind nicht nur eine sehenswerte Show, sondern auch hartkalkuliertes, das Personal forderndes Business. Jede der 10.000 $ teuren Spezialanfertigungen, entworfen von dem elitären kalifornischen Designer Ken Fulk, soll zwei Minuten nach der Bestellung losrollen und nach sieben Minuten zurück sein.
Foto: Miller & Lux