Als erster Drei-Sterne-Koch serviert Daniel Humm in seinem Eleven Madison Park nur noch ein veganes Menü (siehe Personalien). Dessen 10 Gänge werden an 5 Abenden in der Woche von rund 60 Köchen zubereitet und kosten 335 $. Am 10. Juni wurden sie erstmals serviert – und waren so begehrt, dass es für die 80 Plätze in dem New Yorker Hotspot 15.000 Reservierungswünsche gab. Nur die Restaurantkritiker drängelten nicht, um Tomatentee mit Zitronen-Verveine, Japans „Kaviar des Feldes“ in Algen-Plankton-Brühe mit Erbsen und einer Crème fraîche auf Basis fermentierter Mandeln sowie eine halbe gebeizte, gebackene Aubergine mit gepickelten Radieschen und als Dessert leicht geräucherte Erdbeeren mit Thymian abzuschmecken.
Zuerst berichtete am 8. Juli der Schweizer Gault Millau-Channel vollmundig: Der gebürtige Eidgenosse „Humm revolutioniert die 3-Sterne-Küche: So schmeckt das erste vegane Menü, das die Welt verändern könnte… Eleven Madison Park ist zurzeit das wichtigste Restaurant der Welt“. Als erstes Medium von Weltrang äußerte sich nun diese Woche die New York Times und titelte: „Eleven Madison Park erforscht das unheimliche Tal des Pflanzenreichs. Das gefeierte Restaurant von Daniel Humm macht seltsame Dinge mit Gemüse.“ In der Zwischenzeit hatten sich nur zwei US-Online-Medien geräuspert: Eater meinte, dass „dieses Abendessen für zwei Personen im Wert von 1.000 Dollar die Welt nicht verändern wird, es ist keine Neudefinition von Luxus oder etwas Ähnliches“, und Bloomberg fand die Sonnenblumenbutter zu den Brötchen „das beste Gericht“.
Der Gault Millau bilanziert am Ende des Menüs das Bemühen, „Gemüse zu veredeln, so dass es zum geschmacklichen und gesellschaftlichen Erlebnis wird“, und dadurch die Welt der gehobenen Küche neu zu denken, euphemistisch: „Der Schweizer könnte der einflussreichste Koch des kommenden Jahrzehnts werden, ein Bocuse der Moderne.“ Die New York Times resümiert: „Mit der Zeit wird Herr Humm vielleicht aufhören, den Verzicht auf tierische Produkte zu überkompensieren. Rote Bete ist nicht sehr gut darin, Fleisch vorzutäuschen, aber ihre Fähigkeit, wie Rote Bete zu schmecken, ist unübertroffen. Bevor das Restaurant vegan wurde, erzielte Herr Humm reinere, tiefere Ergebnisse aus Gemüse. Vielleicht sollte er auf die in einer Schweinsblase gedämpfte Selleriewurzel zurückgreifen.“
Über den Rote Bete-Gang gerät der Gault Millau ins Schwärmen: „Im Kühlschrank, wo früher die Enten trockengereift wurden, stehen jetzt Tongefäße. Sie verbergen im Innern Rote Bete, die über drei Tage erst geräuchert, dehydriert, anschließend rehydriert und dann, in Salate und Kräuter gewickelt, in diesem Gefäß gebacken werden. Das Ergebnis ist ein – man muss es so sagen – durchaus an Fleisch erinnernder, reichhaltiger, außergewöhnlicher Geschmack. Serviert wird die Rote Bete, nachdem sie am Tisch mit einem Hammer aus dem Gefäß befreit wurde, und in Lattich, Kimchi und dünn geschnittener Nashi-Birne eingewickelt wird. Dazu gibt es einen Rote Bete-Rotweinjus, der dunkel, süß, erdig und leicht säuerlich schmeckt.“ Die New York Times hingegen schüttelt sich: „Die Rote Bete tut Dinge, die kein Wurzelgemüse tun sollte… Der Jus ist seltsam scharf und erinnert an Worcestershire-Sauce. Die Rote Bete schmeckt wie Zitronenreiniger und riecht wie ein brennender Joint.“
Clean bleibend gibt der Gault Millau zu: „Eine Demeter-Rote Bete mag noch so natürlich gewachsen sein und noch so toll schmecken, und selbst wenn sie während des Wachstums mit Mozart-Symphonien beschallt wurde, ist sie nicht vergleichbar mit einem Entrecôte vom Kobe-Rind aus Kagoshima.“ Solche Fleischeslust muss nur der normale Restaurantgast beim neuen Humm entbehren. Wer ein Separee bucht, kann auch ein Rinderfilet mit fermentierter Paprika und schwarzer Limette bekommen – laut New York Times typisch für Manhattan, wo immer auch noch ein höheres Maß an Luxus zu haben ist.
Da nimmt man es doch auch hin, dass der Menüpreis nach dem Verzicht auf Kaviar, Hummer und Gänseleber genauso gleich bleibt wie 2016, als Humm die Zahl der Gänge fast halbierte.
Foto: @danielhumm