Douce Steiner vom Hirschen in Sulzburg scheint sich als Grande Dame der Grande Cuisine in Deutschland zu sehen und gern ihr Empfinden zu inszenieren, in Restaurantführern nicht gebührend gewürdigt zu werden. Letztes Wochenende bot ihr Welt am Sonntag die Bühne. Nach seinem Lamento „Als vor gut zwei Wochen in Hamburg die neuen Sterne vergeben wurden, hatte Deutschlands einzige Zwei-Sterne-Köchin erneut auf ihre Krönung gehofft – doch wieder einmal hoffte sie vergebens“, fragte das Blatt: „Frau Steiner haben Sie Ihren Seelenfrieden inzwischen wiedergefunden?“ Antwort: „Wir wissen, dass wir Großartiges leisten. Das bestätigen unsere Gäste immer wieder. Was kann es Schöneres geben, als von den Menschen, die an vier Tagen in der Woche unser Restaurant füllen, mit höchstem Lob für unsere Arbeit bedacht zu werden?“

Statt in dem ganzseitigen (!) Interview irgendeine herausragende Fähigkeit der Köchin, irgendein prägendes Glanzgericht oder irgendein memorables Menü zu servieren, dass auch Michelin-Testern „höchstes Lob“ abverlangen müsste, erklärte die WamS den ausgebliebenes Sternesegen mit dem #MeToo-Weltbild: „In kaum einer Branche dürfte die Frauenquote miserabler sein als bei der Sterne-Vergabe von Michelin.“ Da die Köchin nicht vollmundig in dieses Zeitgeist-Gesülze einstimmte, insistierte die WamS, „dass in anderen Ländern wie Spanien oder Frankreich sehr wohl Frauen mit drei Sternen kochen“.

Danach erklärte die Sulzburgerin die Frauenminderheit damit, „dass Damen, die an der Spitze stehen … weniger einem Hype, der Selbstinszenierung oder irgendwelchem Chichi verfallen. Das soll heißen, sie bauen keine Tennisplätze auf dem Teller, sie arbeiten mit den Händen statt mit Geodreieck und Zirkel.“ Daraufhin dämmerte es der WamS: „Möglicherweise liegt darin das Geheimnis für die Männerdominanz bei der Sterne-Vergabe.“  

Ein anderes Geheimnis der Sterne-Vergabe könnte, aber nur für kulinarisch Kundige, darin liegen, dass Douce Steiner ihren zweiten Stern primär deswegen hat, weil sie eine Frau ist – denn auch Restaurantführer fördern gerne Frauen. Und hätte der Hirschen in irgendeinem Guide die Höchstnote, dann könnten nur Fachblätter wie die WamS verschweigen, dass die eher dem Steiner-Ehemann Udo Weiler zu verdanken wäre. Denn Köche, die mit dem gemeinsam kochenden Ehepaar zusammenarbeiteten, halten ihn für den Besseren des Duos.

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Ideologische Kritik an Michelins Auszeichnungen übte auch Alain Ducasse, nach dessen Geschmack letzte Woche seine Kollegen Jérôme Banctel, Jean-François Piège, Alexandre Couillon und Alexandre Gauthier ebenfalls den dritten Stern verdient hätten. Ducasse forderte laut der Wirtschaftszeitung Les Echos vom Guide „mehr Großzügigkeit“ bei der Verteilung der Sterne in der Grande Nation, denn „Frankreich ist das Land der Gastronomie“. Und Ducasse ist unter Frankreichs größten Köchen derjenige, der öfters laut sagt, was sein Berufsstand nur leise grummelt.

Foto: © Douce Steiner – Hirschen Sulzburg / Michael Wissing BFF