Jean Imbert, 40, der zur Verblüffung der Pariser Gastroszene am 1. Juli Alain Ducasse als Herr der Küchen im Pariser Luxushotel Plaza Athénée ablöste, ließ letzte Woche seine ersten Gerichte ins Art-déco-Ambiente des Relais Plaza tragen, die Brasserie des Hauses; das Gourmetrestaurant öffnet erst ab Januar. Das Hotel präsentierte ihn so: „Jean Imbert wurde von GQ zum Koch des Jahres 2019 gewählt und von Vanity Fair zu einem der 50 einflussreichsten Franzosen ernannt – eine beeindruckende Bilanz. Wir freuen uns, ihn im Le Relais Plaza willkommen zu heißen, das er mit Kreativität, Innovation und einer Leidenschaft für die einfache, aber authentische französische Küche führt.“ Die Gastrokritik haute den neuen Chef von 200 Köchen ungalant wie einen Tunichtgut in die Pfanne, machte aber nach den Testessen durch eigenes oder zitiertes Lob Appetit auf sein Konzept und die Gerichte.
Die Nachrichtenagentur Agence France Presse: „Koch ohne Stern, aber Freund der Stars. Er hat sich durch den Gewinn des TV-Wettbewerbs Top Chef einen Namen gemacht und trat dann in den sozialen Medien hervor, weil er mit Größen wie Jay-Z, Pharrell Williams, Marion Cotillard und Kylian Mbappé verkehrte. Das sind nicht die üblichen Referenzen für jemanden, der die Gastronomie in einem der sogenannten Pariser ‚Hotelpaläste‘ übernimmt… Die französische Gastronomie ist nicht für ihre Liebe zu jungen Emporkömmlingen bekannt, und Imbert scheint wie geschaffen, um sich in ihm zu irren.“
François-Regis Gaudry, Kritiker in L’Express und in der TV-Sendung On va déguster: „Er hat weder den Lebenslauf noch die nötige Erfahrung für solch eine Aufgabe. Ich sage nicht, dass er kein Talent hat, aber es gibt Hunderte von Chefs, die erfahrener und fleißiger sind als er.“
Emmanuel Rubin in Le Figaro: „Eines Spitzenhotels unwürdig. Der frischgebackene Vierzigjährige hat doch nur bewiesen, dass er für Aufsehen sorgen kann und in seiner Karriere eher sein Gesicht zur Schau gestellt als kulinarische Identität verkörpert. Seit dem Gewinn von Top-Chef hat er nicht mehr gearbeitet. Er ist der Archetyp des Kochs, der unsere Zeit perfekt verstanden hat. Sein bestes Gericht ist sein Instagram-Account… Die Teller und die Speisekarte setzen die Tradition des Hauses fort: bürgerliche Rezepte und Sonntagsgerichte, die an 7 Tagen in der Woche serviert werden. Dazu ist Imbert in seinem Element, aufrichtig nostalgisch und klug genug, keinerlei Erschütterung auszulösen. Die saftige Ananastomate, dick und breit aufgeschnitten, elektrisiert durch eine Vinaigrette mit Basilikum und Curry, die mit Rind und Kalb gefüllte Tomate auf knusprigem Reis Pilaw ist an allen Tischen willkommen, ebenso der Steinbutt in Kapernsauce, das noble Rinderfilet mit Gänseleber in Brioche, die köstliche soufflierte Schokoladentarte. Imbert kennt seinen Escoffier und zelebriert ihn.
Franck Pinay-Rabaroust, Ex-Michelin-Texter und Gründer der Website Atabula: „Es ist ein Erdbeben, erstmals kommt ein Koch in einen Palast, der keine Sterne und sich nicht bei großen Köchen bewährt hat. Er ist der uneheliche Sohn der Haute Cuisine. Er ist eine Nervensäge, aber man muss zugeben, dass seine meisterhafte Kommunikation eine Waffe ist… Die Gerichte sind von den Erinnerungen der Großmutter (mit Rezepten aus seinem früheren Restaurant Mamie) oder von der Pariser Brasserie-Küche inspiriert, so die gratinierte Dorade von 1962, Langustinen Mayo und Thermidor, Pastete ‚meiner Oma 1951‘.“
Le Monde: „Einer aus der Generation Top-Chef auf diesem Posten ist eine Revolution… Er wird die Preise senken, aber nicht versuchen, die drei Michelin-Sterne des Restaurants zurückzugewinnen. Hotelchef François Delahaye erklärt, dass ihn das nicht kümmert… ‚Jean wird dieser elitären, überteuerten Küche, die niemand versteht, ein Ende setzen‘, sagt Yves Camdeborde, der jahrelang im Ritz und im Crillon gearbeitet hat, und prophezeit, ‚er kann er Gastronomiegeschichte schreiben.‘
Nur Gastrokritiker Gilles Pudlowski schwelgt in seinem Newsletter wie ein bezahlter PR-Texter ausschließlich im Lob: „Mit diesen emotionalen und nostalgischen Gerichten aus den 1960er Jahren trifft Jean Imbert den Nagel auf den Kopf. Er hat dem Ort bereits neues Leben eingehaucht. Sein Beginn? Kein Erfolg: ein Triumph!“
Foto: Hôtel Plaza Athénée