Am 14. Oktober kündigte Präsident Macron eine Ausgangssperre ab 21 Uhr in den Corona-Hotspots an, am 17. begann sie, am 20. Oktober demonstrierte Frankreichs Gastronomie das, was sie am meisten von der deutschen unterscheidet: ihre Solidarität. In einem Offenen Brief an Macron stieß sie ihren „Alarmruf gegen die Ausgangssperre“ aus – unterschrieben von 36 Köchen aller Klassen, 36 Gastronomen unterschiedlicher Kategorien sowie den Branchen-Arbeitgeberverbänden Umih und BNE. Zu den Köchen, die jenseits des Rheins untereinander genauso missgünstig sind wie diesseits, aber in berufsständischen Fragen stets engen Schulterschluss demonstrieren, zählen die Drei-Sterne-Chefs Alléno, Frechon, Gagnaire, Kobayashi, Le Squer, Passédat und Savoy; zu den Gastgebern gehören die Gebrüder Thierry und Laurent Gardinier (Les Crayères in Reims und Taillevant in Paris), André Terrail (Tour d’argent in Paris), Multigastronom Laurent de Gourcuff, Tigrane Seydoux und Victor Lugger („Big Mamma“-Group), die griechischen Gebrüder Grégory und Pierre-Julien Chantzios.
Aus dem gemeinsamen Text: „Diese Ausgangssperre ist für die bereits von vielen Krisenmonaten zerstörte Gastronomie der letzte Schlag… Wir befürchten, dass wir uns niemals erholen können. Vor Ihrer Ankündigung hatten wir bereits Bedenken, dass 30% unserer Restaurants bis Ende des Jahres bankrottgehen würden. Nun wird es viel schlimmer werden…
Cafés, Bars, Bistros, Brasserien, Restaurants, Gourmetadressen sind Anziehungspunkte im Leben eines Stadtviertels. Sie sind ein Bollwerk gegen Isolation, Stätten der Geselligkeit und des Gemeinschaftsgefühls … Wie viele andere Teile der Kultur unseres Landes zählen wir zum Reichtum Frankreichs und Stolz der Franzosen. Nun ist unsere Lebensart, die so einzigartig und einmalig auf der Welt ist, in großer Gefahr… Wir haben kein Bargeld mehr. Wir sind in Papierkram ertrunken.
Herr Präsident, regieren heißt antizipieren. Wir haben alles getan, um alle Eventualität… zu antizipieren und zu bewältigen, während Sie fast jede Woche die Spielregeln ändern…
Damit die französische Gastronomie noch eine Zukunft hat, muss eine Lösung gefunden werden, dass zumindest der erste Abendservice aufrechterhalten werden kann… Wir bitten Sie, Gästen, die vor 21 Uhr kommen, das Abendessen zu ermöglichen. Wir würden garantieren, dass sie spätestens um 23 Uhr nach Hause zurückzukehren. Aber auch dann wird unsere Branche hart getroffen. Wir brauchen weitere Sofortmaßnahmen: ein Moratorium für unsere Pacht; die Annullierung von Arbeitgeberbeiträgen während der Corona-Einschränkungen; Öffnung der Kurzarbeit für Geschäftsführer und des PGE (staatlich garantiertes Darlehen) für alle Unternehmen, die in den letzten drei Jahren mindestens eine positive Bilanz hatten. Und schließlich Anpassungen im Finanzgesetz, damit wir unser Eigenkapital stärken und insbesondere unser steuerfreies Geschäftsvermögen in unseren Bilanzen neu bewerten und dadurch zahlreiche Insolvenzen vermeiden können.“
PS: Derzeit sind von den 29 französischen Dreisterne-Lokalen nur noch 3 normal geöffnet: L’Auberge du Vieux-Puits in Fontjoncouse, Les Près d’Eugénie in Eugénie-les-Bains und Christopher Coutanceau in La Rochelle.
Foto: Ledoyen