Das in den Gourmettempeln von niemandem vermisste Krokodil fand immerhin Aufnahme in den Larousse gastronomique, die Bibel der französischen Küche. Es sei für die „menschliche Ernährung und Esskultur vor allem von lokaler Bedeutung“, so als Alligator im Süden der USA und in China, als Kaiman in Mittel- und Südamerika, als Gavial in Indien. Auch als die französischen Kolonisatoren in der Neuen Welt einen US-Bundessstaat nach ihrem Sonnenkönig Louis XIV benannten, aßen dort die heimischen Chitimachas schon Alligatorfleisch. Das findet heutzutage den größten Absatz in Louisiana, wenn in dessen Hauptstadt Baton Rouge die Florida Gators zum Football-Match gegen die LSU Tigers kommen – das Prestigeduell zwischen den Teams der State Universitys of Florida und Louisiana. Das gibt’s seit Jahrzehnten, aber erst seit einem guten Jahrzehnt foppen die Gastgeber die anreisenden Fans der Gators durch Alligator-Grillstationen am 100.000 Zuschauer fassenden Stadion.
An selbstgebastelten Drehspießen rotieren die Reptilien, meist mit einem Apfel zwischen den Vorderzähnen, stundenlang über glühenden Kohlen. Die mindestens einen Meter langen Krokodile stammen aus Zuchten, weil wildlebende Verwandte wegen der Jagd auf ihre Lederhäute unter Artenschutz stehen (und zäheres Fleisch haben), und werden vorm Rösten mit kreolischer Würze und Knoblauchpulver eingerieben und währenddessen mit Bier oder Apfelsaft bespritzt. Wer das Zuchtfleisch auch zwischen den Footballspielen in Restaurants essen möchte, bekommt zumeist mechanisch zarter gemachten Schwanz oder Kiefer, in Buttermilch oder Sojasauce, Knoblauch und Orangensaft mariniert und paniert wie Hühner-Nuggets. Dazu heimische Roux-Sauce, die an Mayo und Ketchup erinnert, oder tomatengeprägte Sauce Piquante. In den Tagen vor dem Match verdoppelt sich der Alligatorkonsum in der Hauptstadtgastronomie – was ja nicht ungesund ist. Denn das hellem Geflügel ähnlich sehende Fleisch ist nicht nur arm an Eigengeschmack, sondern auch an Fett und Cholesterin. Da greifen dann auch die Florida-Fans zu, wenn ihnen nach dem Spiel von den Einheimischen auf der Messerspitze ein Krokodilshappen zum Trost oder Triumpf gereicht wird.
Foto: Courtesy The Advocate, Baton Rouge