Wie eine Mischung aus Heiligabend und Silvesternacht feiern Hindus von Mauritius bis Nepal ihr traditionelles Lichterfest Dirwali mit Geschenken, Süßigkeiten und Feuerwerken – dieses Jahr am 14. November. Die Anhänger Shivas, Vishnus und anderer Hochgötter, in Indien größte und in der Welt (nach Christentum und Islam) drittgrößte Religionsgruppe, zelebrieren besonders an diesem Feiertag ihren Hang zum süßen Leben. Es bietet in der Zuckerrohrgegend unter dem Sammelnamen Mithai seit jeher eines der ausgeprägtesten und vielseitigsten Sortiments an gebackenen und gekochten, gerösteten und gefrosteten, selbstgemachten und gekauften Süßigkeiten aus der traditionsbewussten Phantasie der indischen Confiseure.
Während der englischen Kolonialzeit kam Schokolade hinzu. An den Importen der Imperialisten, vornehmlich arg süße Milchschokolade von Cadbury aus Birmingham, fanden die Unterdrückten rasch Gefallen. Heute nascht jeder fünfte Inder das Kakaoprodukt laut Marktforschung täglich, zwei Drittel aller Tafeln und Riegel kommen von Cadbury. Der Konzern produziert seit der indischen Unabhängigkeit (1948) auch auf dem Subkontinent und tat werblich und geschmacklich alles, um die Marke als Teil der indischen Kultur erscheinen zu lassen – heute in 2,5 Millionen Geschäften erhältlich, die Tafel ab 5 Rupien (6 Cents). Als Cadbury 2003 mit dem Slogan „Kuch meetha ho jaaye“ („Lass uns etwas Süßes haben“) um die traditionelle Mithai-Kundschaft warb, verzehnfachte sich bis 2004 der Umsatz. „Über Nacht haben die Leute verstanden, dass Schokolade etwas für das indische Feiern und Schenken sein kann,“ frohlockte Marketingchef Anil Viswanathan.
Bemühungen von Ferrero Rocher, Lindt oder Godiva um Indiens Süßmäuler endeten als Nischenprodukte, denn Cadbury ist zuckriger. Im Abseits blieben bislang auch die indischen Versuche, unter Hinweis auf die gesundheitlichen Vorteile von dunkler Schokolade und Süßigkeiten ohne raffinierten Zucker ins Schokoladengeschäft einzusteigen. Als Massenfabrikant Cadbury mit „Bournville“ selbst eine dunkle Schokolade produzierte, um auf einem eventuellen neuen Geschmacksmarkt der jungen Inder (und der Globalisierungsfolgen) präsent zu sein, kam er nur auf sehr bescheidenen Umsatz. Relativ erfolgreicher sind indischen Schoko- und Pralinenhersteller in den USA bei ihren dortigen Landsleuten.
An der Heimatfront resignierte beim letzten Diwali der Schokoladenhersteller Nitin Chordia aus dem ostindischen Chennai, nachdem er seiner Verwandtschaft im westindischen Mumbai Pralinen aus seiner Manufaktur geschenkt hatte. Die Cousins vermittelten ihm die bittere Erkenntnis: „Wenn es nicht süß ist, wird das Geschenk nicht geschätzt. Cadbury ist ein völlig indisches Produkt.“
Foto: © Dwaar Chocolate in East Township (USA)