Beide bekamen gestern Frankreichs höchste Kochehren, drei Sterne. Beide sind befreundet und gebürtige Normannen, kamen mit 16 in die Kochlehre, 2004 an die Côte d‘ Azur und wurden dort kulinarisch sesshaft: Arnaud Donckele im Restaurant La Vague d‘ Or im Hotel Résidence de la Pinède (dem heutigen Cheval Blanc) in Saint-Tropez, Dimitri Droisneau in der Villa Madie in Cassis. Beide haben einen herausragenden Aspekt in ihrer Küchenarbeit, Donckele die Sauce, Droisneau die Säure, und beide sind kompromisslose Produktfanatiker und das Gegenteil von Selbstdarstellern – was Droisneau so ausdrückt: „Selbstzufriedenheit ist der Tod des Kochs.“ Gravierender Unterschied zwischen beiden: Donckele, 44, hat seit 2013 drei Sterne und bekam diese Auszeichnung nun auch als Küchenchef des im letzten September eröffneten Plénitude im Pariser Hotel Cheval Blanc, Freund Dimitri erhielt sie erstmals.
Seine Sensibilität für Säure, insbesondere Zitrusfrüchte, entwickelte Droisneau während der Wanderjahre im Pariser Lucas Carton, denn dort legte Patron Alain Senderens „viel Wert auf die Essigsorten. Zur Apicius-Ente gab‘s ein erzsüßes Dattelpüree, das mit Essig beträufelt wurde. Ich mag Säure, weil sie die Bitterkeit, das Salzige und das Fette ausgleicht.“ Prägend für seine Küche sind zwei Menschen, emotional und rational. „Wenn Sie einen Italiener fragen, wer der größte Koch der Welt ist, wird er Ihnen ohne zu zögern antworten: meine Mutter. Von meiner habe ich die Leidenschaft für eine einfache Küche aus guten Produkten und diesen ständigen Wunsch zu gefallen. Kochen, als wäre es für die Kinder, für diejenigen, die man liebt.“ Bedeutsam in seiner Entwicklung als Koch waren die Jahre in der Ambroisie in Paris bei Bernard Pacaud: „für das Verständnis der Produkte, die Strenge bei der Arbeit und den Respekt vor Personal und Gästen. Heute haben manche den Eindruck, dass der Beruf einfach ist. Nur ist es in der Ausführung ganz anders. Es ist wie in der Musik: Du musst spielen, bis dir das Blut in den Finger schießt.“
Donckeles Genialität für die Sauce wird schon bei Lektüre der Speisekarte deutlich: Die Gerichte sind kurz, die Saucen, Jus, Cremes und Veloutés ausführlich beschrieben. Oft enthalten sie ein Dutzend Gemüse, Früchte, Essenzen, seltene Gewürze und frische Kräuter, an manchen tüftelt er bis zu zwei Jahren. Er empfiehlt den Gästen, zuerst die begleitenden Saucen zu probieren, „damit sie zuerst die Tiefe und den Reichtum einer Sauce in ihrem natürlichen Zustand verstehen. Danach erhöht das Kauen den Geschmack.“ Mittlerweile „fühle ich mich weniger wie ein Koch, sondern mehr wie ein Saucier“. Es gebe nur begrenzte Möglichkeiten, einen Fisch zu kochen oder ein Stück Fleisch zu braten, aber Saucen böten wie die immer unterschiedlich wirkenden Parfums „ein kreatives Ventil“. Jede seiner 40 Saucenkreationen in Saint-Tropez und 30 in Paris ist nummeriert. Velouté n°1 ist eine Komposition aus Bonitobauchfilet, Garnelenconsommé, Lambrusco-Chardonnay-Essig, Kastanienhonig und Zitronenextrakt, Rosmarinaufguss, geröstetem Fischkopföl und Javapfeffer.
Bei Bewältigung seines Doppelpensums kommt Donckele zupass, dass das südliche Cheval Blanc im Winterhalbjahr geschlossen und er die Wahl von Häuserherr Bernard Arnault ist. Der reichste Franzose, so wird in Paris erzählt, habe in St-Tropez zwei der besten Gerichte seines Lebens gegessen. Donckeles Begabung förderten Michel Guérard und Alain Ducasse, der von ihm schwärmt: „Seine Küche ist Poesie. Es gibt eine extreme Reinheit des Geschmacks und überraschende Zutaten, die das Gericht interessant machen. Alle seine Kreationen sind unglaublich leicht, wie eine am Himmel schwebende Wolke. All die Auszeichnungen, die er erhalten hat, änderten nichts an seiner Einfachheit. Er bleibt seinen Produzenten sehr nahe, weil er seit seiner Kindheit weiß, dass wir alle Kinder der Natur sind.“
Foto: Courtesy nouvellesgastronomiques/com © Sandrine Kauffer