Er ist erst 29, hat aber schon einen Stern, eine TV-Sendung sowie Star Appeal in der Label-Mode und eröffnet in den nächsten Tagen sein Zweitlokal plus einen Imbiss im größten Kaufhaus der westlichen Welt, dem Pariser Galeries Lafayette. Zum „Phänomen“ wurde Mory Sacko laut Süddeutscher Zeitung durch den französischen Fernseh-Kochwettbewerb Top Chef, weil der hält, „was der Titel verspricht“ – was deren FAZ-Kollege Jürgen Dollase anders sieht: Er könne „die ganze Banalität dieser Veranstaltung einfach nicht mehr ertragen“. Dieser krasse Unterschied ergibt sich aus der unterschiedlichen Auffassung, was heute an einem Koch wichtig ist: Wesen oder Wirken.
Sacko nahm 2020 an der 11. Staffel teil und schied im Viertelfinale aus, weil er nach eigener Einschätzung „etwas Einfaches zubereitet und dabei am wenigsten von seiner Kreativität geboten“ hatte. Aber laut SZ „beeindruckte er mit Kreationen wie Schokoladen-Teriyaki-Lachs zu Rote Bete und Himbeeren. Und er gewann die Zuschauer für sich, weil er so ungewöhnlich entspannt, optimistisch und freundlich wirkte.“
Das genügte ihm, um wie während seiner Fernsehzeit im Frühjahr 2020 angekündigt, im September das Restaurant MoSuke in einer stillen Pariser Straße zu eröffnen; zuvor kochte er in den Pariser Hotels du Collectionneur, Royal Monceau, Shangri-La und Mandarin Oriental. Schon im Januar 2021 erhielt er einen Stern im Michelin, obwohl der Guide – wegen der Gastronomieschließung in der Pandemie – nur einen Monat Testzeit hatte. Sacko bekam kein Lob der Fachwelt, der Michelin hingegen heftige Schelte von Gastrokritiker François-Régis Gaudry im französischen Fernsehen: „Ich habe sein Restaurant zeitgleich mit dem Guide getestet. Auf keinen Fall hätte ich Mory Sacko einen Stern gegeben. Ich aß eines der schlimmsten Gerichte des Herbstes, aber auch sehr interessante Sachen, die sicher eines Tages den Stern wert sind… Jetzt aber tue ihm der Michelin, der wie eine alte Dame mit Rollator der Zeit hinterherlaufe, keinen Gefallen, wenn er überstürzt einen Stern verleihe.“ Sachlicher urteilte der Kollege des Nachrichtenmagazins Le Point: „Der Showman… erntete mit Lichtgeschwindigkeit einen Stern. In seinem kahlen Versteck vereint Mory Sacko seine afrikanischen Wurzeln aus Mali und seine Leidenschaft für Japan mit französischen Akzenten… Exotische Produkte wie Chayote (mehrjährige Pflanze der Familie der Kürbisgewächse), Attiéké (fermentierter Maniokgrieß), Yuzu Kosho (japanische Zitrusfrüchte), Sudachi (eine weitere japanische Zitrusfrucht) kombiniert er gerne mit Seezunge, Geflügel und Rindfleisch.“
Seither gab’s nichts Erhellendes zur Küche, aber es blieb ja das Positive, was Gaudry in seiner Rage auch gesagt hatte: „Ich habe nichts gegen Mory Sacko. Er ist ein intelligenter Junge, sehr gut vernetzt und hat eine echte persönliche Kultur.“ Das reicht heute für einen Koch zu allem Möglichen: France 3 lässt ihn jeden Samstag die Sendung „Cuisine Ouverte“ moderieren, der Luxusgepäckfabrikant Louis Vuitton machte ihm und sich diesen Sommer das Restaurant Source in St-Tropez auf, Valentino kleidet ihn ein, Lexus und Nespresso halten ihn als Markenbotschafter – und die SZ meldet: „Afrikanische Küche spielte im Gourmetzirkus bislang keine Rolle. Der Sternekoch Mory Sacko ändert das gerade. Und die Pariser? Sind hingerissen.“
Sacko, der sein MoSuke während der Pandemieschließung als Abhollokal für Streetfood betrieb und diesen Küchenstil nun als Zweitlokal MOSugo mit Filiale im Lafayette fortsetzt, erklärt sich sein Standing mit dem Einfluss der Sozialen Medien und der Wirkung von Top Chef. Wie auch andere junge Köche glaubt er, dass diese TV-Kocherei beruflich unheimlich voranbringe: „In anderthalb Monaten sammelte ich 5 Jahre Erfahrung.“ Letztes Wochenende verkündete er einer Journalistin des Journal du Dimanche, dass ihm Paris nicht mehr reiche: „Ich bin voller Eroberungsdrang und Sehnsucht, mittelfristig internationale Restaurants zu eröffnen. New York zieht mich sehr an, weil seine weltoffenen Gäste meine Küche gut verstehen. Ich würde auch gerne in Westafrika eröffnen.“
Foto: Nespresso