Gestern Abend im Pariser Luxustempel: Völlige Kehrtwendung nach 21 Jahren Alain Ducasse und dessen etepetetehafter Cuisine de la Naturalité, die Fleisch ausschloss. Nachfolger Jean Imbert, 40, der durch seine Freundschaften mit Stars wesentlich bekannter ist als wegen seines kulinarischen Lebenslaufs, eröffnete mit klassisch schönen Gerichten und einem Konzept, das sich wie ein Restaurantstatut aus jener Zeit liest, als sich die Gäste aus Genussfreude an den Tisch setzten und nicht zur Selbstverwirklichung eines egozentrischen Küchenchefs Platz nahmen. Dem Pariser Figaro sagte er über seine Vorstellung von Gastronomie:
„Das große Restaurant wie ich es mir vorstelle, ist ein Ort, an dem man ein großes kulinarisches Erlebnis haben möchte, aber auch Spaß haben, feiern und sich vergnügen will. Mein oberstes Ziel ist es nicht, eine Auszeichnung zu gewinnen, sondern ein volles, lebendiges Restaurant zu haben. Ich möchte eine Atmosphäre schaffen, in der sich der Gast zweieinhalb Stunden lang weit weg von den Problemen der Welt und des Alltags fühlt, unbeschwert ist und die Freiheit hat, à la carte zu wählen. Der Küchenchef soll nichts vorschreiben.
Seine Desserts zu entzuckern, um in Mode zu kommen, oder auf ein Produkt zu verzichten, um den Planeten zu retten, macht für mich keinen Sinn. Wichtig ist, dass man seine Lieferanten bei jedem Produkt perfekt auswählt, ohne es von den Dächern zu schreien, denn es ist eine Selbstverständlichkeit.
Im Plaza, mitten im Herzen von Paris, ist es für mich selbstverständlich, meine Version der historischen französischen Küche zu präsentieren. Eine authentische und zeitlose Küche, die viel größer ist als ich und die ich mir wünschen würde, wenn ich ein Pariser oder ein Tourist wäre. Und die in einem epochalen Restaurant der Spitzenklasse, das mit den steifen Gewohnheiten bricht und gleichzeitig die Serviceprozesse verschlankt.“
Typisch für Imbers Klassizismus, zu dem dezent Barockmusik erklingt, sind Gerichte wie velouté Dubarry, langouste en Bellevue, tarte chantilly truffée, vol-au-vent, turbot soufflé au cresson, pithiviers de saint-jacques (Blätterteig), canard à la bigarade, crêpe clémentine Napoléon (soufflée et flambée) – und wahre Oden an die traditionelle Küche des Tranchierens und Flambierens. Die Portionen sind großzügig, die Saucen klassisch köstlich, es wird nicht mit Butter und Sahne gegeizt. Die Farandole aus sechs Desserts zeigt keinerlei Komplexe gegenüber Kalorien und Süße.
Das neue Hotelpalast-Ambiente bietet 50 Gästen in majestätischem, vergoldetem Rahmen (vom Stardesigner Rémi Tessier) unter Kronleuchtern beigefarbenen Blumenteppich, maßgefertigtes goldenes Geschirr im Stil des Grand Siècle und einen 12 Meter langen Tisch aus Breccia-Marmor mit integrierten Vasen – als Augenzwinkern zu den königlichen Tafeln von einst, an denen Imbert künftig Aftershow-Partygäste sieht.
Wiedererkennen werden die Stammgäste den Maître Denis Courtiade, der 2000 mit Ducasse kam, und den altvertrauten Sommelier Laurent Roucayrol. (Jean Imbert im Plaza Athénée ist Dienstag- bis Samstagabend und Samstagmittag geöffnet; Menü 296 €, à la carte 200-300 €.)
Fotos: © BOBYALLIN / Plaza Athénée