Zu den überraschenden Folgen der Pandemie zählt in den USA auch die zivile Begeisterung für die militärische Notverpflegung in dicken, unappetitlichen Beuteln: MRE (Meals, Ready-to-Eat), von GI-Generationen als Meals, Rarely Edible (Essen, selten essbar) abgeschmeckt. Diese für den offiziellen Lebensmittelhandel gesperrten Fressbeutel sind online erhältlich und Shops, die vor Corona 100 Bestellungen pro Woche erhielten, bekamen plötzlich 100 am Tag. Auf YouTube und TikTok mampfen Kompanien selbsternannter Geschmackstester die 24 verschiedenen Hauptgerichte und Kommandeure etablierter Food Channels lassen sich ernsthaft auf der Zunge zergehen, was die Soldaten sattmachen soll, wenn weder Speisesaal noch Feldküche erreichbar ist. Manche YouTube-Eiferer probieren sogar die Notrationen anderer Armeen und aus früheren Jahrzehnten.
Die panikartigen Käufe der Konsumenten erklären Psychologen mit menschlichen Verhaltensmustern „in einer chaotisch und unberechenbar wirkenden Welt“. Die militante Testesserei in den sozialen Medien verwundert auch in jener Truppe des US-Verteidigungsministeriums, die am Natick Soldier Research, Development and Engineering Center in der Nähe von Boston das Kraftfutter für die Streitkräfte entwickelt. Deren Lebensmitteltechnologen fragten erstaunt: Warum essen Zivilisten etwas, das keine kulinarischen Ansprüche erfüllen will? Dieses neue Interesse stehe im Gegensatz zu der wachsenden Bewegung, frische Produkte zu kaufen und zuzubereiten.
Die MRE-Entwickler hingegen müssen darauf hinarbeiten, dass mexikanischer Hühnereintopf, Thunfisch mit Zitronenpfeffer oder zerrupftes Barbecue-Rindfleisch bei 27° mindestens dreieinhalb Jahre essbar bleiben, monatelang Wüstenhitze und arktische Kälte aushalten oder die Retortenbeutel aus Helikopterflughöhen heil am Boden ankommen. Bei der Weiterentwicklung wurde schon erreicht, dass die Beutel die Sterilisationshitze aushalten, dass sie mittels eines beigefügten „Ration Heaters“, dessen Magnesium in etwas Wasser oxidiert, erwärmt werden können oder dass Hauptgerichte zu Mahlzeiten in Müesli-Riegelformat dehydriert werden können.
Derzeit arbeiten Lauren Oleksyk, die für Lebensmitteltechnik und -analyse verantwortlich ist, und ihr Team von Ernährungswissenschaftlern, Physikern und Chemikern daraufhin, dass Soldaten Sensoren bekommen, die erkennen und melden, welche Nährstoffe der Körper benötigt, ein 3D-Drucker diese ernährungsphysiologisch gebotenen Lebensmittel quasi à la minute generiert und eine Drohne sie flugs liefert.
Dass Covid-19 anders als in den USA in Deutschland kein gesteigertes Interesse an der EPa (Einmannpackung) der Bundeswehr auslöste, mag mit daran liegen, dass die Verpflegung der Soldaten auch deren hohen Kalorienverbrauch im Einsatz und Natriumverlust beim Schwitzen ausgleichen soll und folglich fett- und salzreicher ist, als es für sitzende und anstrengungslose Tätigkeiten angemessen ist. Für die muss auch Beef Jerky nicht mit Koffein oder Apfelmus mit Maltodextrin angereichert werden.
Foto: U.S. Army