„Gastronomie bietet wie kein anderer Beruf die Möglichkeit, Außergewöhnliches zu leisten, zu reisen, berufliche Entwicklungsperspektiven zu haben. Auch denen ohne Ausbildung. Dass der Beruf jetzt auf Einstellungsschwierigkeiten stößt, zeigt ein globales Problem, als wäre das Wort Arbeit zu einem Schimpfwort geworden.“ (Philippe Etchebest, Zweisternekoch in Bordeaux mit drei TV-Sendungen).
Von einem eintägigen Treffen in San Francisco, auf dem Vertreter von Yelp, Tripadvisor, Trustpilot, Google und anderen Bewertungsportalen die immer nötigere Zusammenarbeit gegen gefälschte Online-Bewertungen besprachen, wurde nichts Konkreteres als dieses bekannt: Ein Computeralgorithmus kann ein Muster fragwürdiger Rezensionen erkennen (zumeist positive), die genauere Untersuchung erfordert spezialisierte Ermittler – wie ehemalige Polizisten und Detektive oder Mitarbeiter aus der Cybersicherheit.
Alain Ducasse, der einst in aller Welt Luxusrestaurants promotete, puscht neuerdings in Paris volkstümliche Produkte wie Schokolade, Kaffee, Eis, Kekse und will als nächstes etwas herausbringen, was auf Französisch richtig chic klingt: charcuterie de la mer und légumes marins. Vorarbeiten leistete der Marseiller Dreisternekollege Gérald Passedat, dessen maritime Wurstplatte gut gepfefferten Zackenbarsch, Oktopus-Cervelas mit Meerfenchel und Rotbarbenwurst mit Algensenf bietet. Und Ducasse kann gewiss auch die Thunfisch-Bresaola mit Pistazienkruste, das fischige Roastbeef oder den geräucherten Schwertfischspeck verfeinern, den Tropique de Sicile im schweizerischen Crissier aus Italien importiert.
Früher warben die Köche Kaliforniens für ihre California Cuisine mit den prima Produkten aus der Umgegend, heute werben sie mit ihrer eigenen kalifornischen Identität.
Der italienische Nahrungsmittelkonzern Barilla, der in Parma die größte Pastafabrik der Welt betreibt, verkündet in Advertorials (z.B. im Londoner Guardian): Der älteste bekannte schriftliche Beweis dafür, dass Pasta definitiv Italienisch ist, stammt aus Sizilien und dem Jahr 1154 – mehr als ein Jahrhundert, bevor Marco Polo von Venedig nach China aufbrach. Der Geograph Muhammad al-Idrisi dokumentiert in einem Bericht für den normannischen Insel-König Roger II. „riesige Mengen“ von Trii im Spaghetti-Stil (vermutlich eine Ableitung vom arabischen Wort itryia), die in der Nähe der Hauptstadt Palermo hergestellt und überall hin verschifft werden.
Für die Süddeutsche Zeitung ist es „eine große Portion italienisches Lebensgefühl“, für Brigitte der „Klassiker“, für den Stern „die Krönung der italienischen Eiskunst“: das in Deutschland erfundene Spaghetti-Eis. Das kulinarische Frankreich zählt es zu Kuriositäten wie die Fischkopfpastete aus Cornwall, das Krokodilei-Wettessen in Thailand oder den mongolischen Seezungenkuchen.
Folge 50
Dry January klingt gut, ein Monat kein Alkohol noch gesünder. Unter den ehrenwerten Mitmachern haben 73 % eine profane Motivation, so fand die teure Marktforschung von Morning Consult in Washington heraus: Sie wollen oder müssen sparen.
„Null Alkohol ist ein Muss auf der Speisekarte von Sternerestaurants,“ proklamierte letzte Woche David Toutain in Paris per Pressemitteilung. Und so gibt‘s in seinem nach ihm heißenden Zweisternelokal einen Buchweizen-Bergamotte-Aufguss zu Wellhornschnecken mit Romanesco, Knospenwasser aus Douglasie zum Hummer, Apfelsaft mit Fenchelessig für den Aal, Rüben-Karotten-Nektar zur Taube, eine Kreation aus Dinkel und Milchschaum zum Käseteller…
Was ist eine Weinbar? Eine Definition gibt’s nicht, als Vorbilder dienten lange die klassische Bar à vin in Frankreich, Enoteche in Italien und Bar de Tapas in Spanien. Als sie in Deutschland begannen, verwechselten sie sich gerne mit Seminaren. Ihr heutiges Rezept: einfach, lässig und preiswert, abwechslungsreiches, aber nicht unbedingt voluminöses Sortiment. Derzeit die vermutlich sicherste Zielgruppe: jüngere Weintrinker mit Interesse an Naturweinen, Orangen- oder Hautkontaktweinen, pétillant naturels und dergleichen.
„Audiophile Bars, in denen man in High Fidelity trinken und essen kann, kommen in Frankreich an,“ meldet Le Monde. „An diesen in Japan geborenen Orten der Restaurierung verdrängt die Qualität des Musikhörens das Essen, um den Durst der Musikliebhaber zu stillen.“
Der Käsesommelier (ein in Österreich erfundener und 1987 erstmals verliehener Titel) könnte zu jedem Stück von der Herkunft der Milch bis zur Alterung des Käselaibs solange über Terroir, Stilistik, Geschmack und Geschichte reden wie der Weinkollege pro Flasche.
„Noch nie wurde in Frankreich so wenig Wein verkauft“, resümiert die Pariser Filiale der globalen Kantar-Marketingforschung. Beim Rotwein reduzierten die Franzosen 2021 ihren Konsum um 32 % gegenüber 2011. Erklärungen: der Rückgang der 18- bis 35-Jährigen Bevölkerungsgruppe um 7 %, die staatliche Gesundheitsinitiative „Zwei Gläser am Tag, aber nicht jeden Tag“ und die Zunahme von Haushalten mit Alleinerziehenden.
Das Stichwort Diät wird bei Google in der ersten Januarwoche am häufigsten und in der Woche vor Weihnachten am wenigsten eingegeben. Der Neujahrs-Höchstwert ≙ 100 sinkt bis Mitte April auf 68 und vor Heiligabend auf 58.
Folge 49
Der Gästeschwund der Gastronomie und der Leserschwund der Zeitungen haben auch eine gemeinsame Ursache: Selbstherrlichkeit. Die von Köchen, die nur noch ein Menü nach ihrem Gusto servieren und dafür mangels Zuspruchs kaum noch mittags und nicht jeden Abend öffnen müssen, und die von Journalisten, die vor Meinung strotzen und das Recherchieren reduzieren wie besagte Köche ihre Karten. Letzten Samstag lieferte die Süddeutsche ein Müsterchen: Zum letzten Abendmahl bei Alfons Schuhbeck schrieb jemand fast eine ganze Seite voll, der ihn nicht als Koch am Herd und in der Regionalküche abschmecken kann, der ihn nicht als Gastgeber im Restaurant und auch sonst nicht kennt – aber all das noch einmal vorbringen kann, was der SZ in ihrer stets vordringlichen Kritik an einem Teil der Münchner Gesellschaft helfen soll, beim anderen Teil Auflage zu generieren. Die letzten Samstag so dürftig abgespeisten Leser können sich ja an die amtierende kulinarische Edelfeder des Blattes halten, die mal dies zu SZ-Papier brachte: „Alfons Schuhbeck ist längst ein Gesamtkunstwerk.“ Leider demontiert.
Stéphane Durand-Souffland, 59, der im Pariser Figaro über Gerichte der Justiz und der Gastronomie schreibt, servierte zu Silvester die „20 besten Restaurants der Welt im Jahr 2022“. Auf Seite 24 bot er ausschließlich gastliche Stätten in Frankreich, von einem öffentlich zugänglichen Gefängnisrestaurant in Marseille bis zum Dreisternelokal in Fontjoncouse, und den Hinweis: „Es gibt weitere beste Restaurants der Welt, aber in denen war ich dieses Jahr nicht.“
Unter der Überschrift „Warum ein winziges Berliner Restaurant die Welt elektrisiert“ beschreibt die FAZ alles Allgemeine des 8-Plätze-Restaurants Ernst, lobt die „japanisch geprägte Faszination für exzellente Produkte, technische Finesse in der Verarbeitung, maximale Spontaneität und Varianz“ und verliert kein Wort darüber, was hier an Zubereitung, Stilistik und Geschmacksbildern „die Gastroszene von Australien bis New York, in Dänemark wie in Paris elektrisiert“. Man erfährt auch nicht, dass es nur an 4 Abenden in der Woche öffnet – aber immerhin, dass es „nicht jeden Abend ausgebucht sei“.
Kochkurse 2.0: Kabeljau angeln, ausnehmen und zubereiten auf den Lofoten in Norwegen (buchbar bei Black Tomato), ganztägige Kurse über Metzgerei, Nahrungssuche und Feuermachen in und um eine Scheune von 1820 beim Dorf Firle in East Sussex (Hunter Gather Cook), dreitägige kulinarische Jagden in Oklahoma inklusive Häuten von Wild und Rupfen von Wasservögeln (Hunter Angler Gardener Cook).
„Champagner trinke ich nur mit anderen, mit Kunden oder Freunden. Wenn ich alleine trinken muss und durstig bin, trinke ich ein Bier.“ (Pol Roger-Besitzer Hubert de Billy)
Folge 48
Was will uns der Künstler damit sagen? „In Europa ist Milde fast ein Fehler. In einigen Ländern ist es eine Wahrheit. Der fünfte Geschmack ist meiner Meinung nach nicht Umami, sondern Milde.“ (Aus dem neuen Kochbuch „Im Kopf von Glenn Viel“, dem Dreisternekoch des Oustau de Baumanière in Les Baux de Provence.)
In seiner Aufzählung der beliebtesten Weihnachtsgerichte der Welt erwähnt der Food-Blog Chef’s Pencil, in dem u.a. Elena Arzak und Anne-Sophie Pic, Mauro Colagreco und Massimo Bottura mitwirken, auch „ikonische vegetarische Hauptgerichte: Kichererbsen-Hackbraten, gebratener Kohl mit Champignonsoße, Chili-Käse-Süßkartoffel-Auflauf“.
Moët & Chandon scheint‘s schlecht zu gehen: Warum sonst feierte es das 280-jährige Bestehen als „Moët Effervescence“ (auf Deutsch: Sprudeln, Überschäumen) im Pariser Palais Brongniart mit der (nur optischen) Präsentation einer von 280 Jeroboams Grand Vintage 2004 und einem „kulinarischen und multisensorischen Erlebnis“, das 80 € Eintritt kostete und 2 Gläser Moët Impérial bot?
Wackelpudding alias Götterspeise war Anfang des letzten Jahrhunderts als Gemenge aus Lebensmittelfarbe, Fruchtsäften, Zucker und Gelatinepulver unter dem Namen Jell-O meistgegessenes Dessert der USA und fiel in Europa während der 70er und 80er Jahre in Ungnade, als industriell verarbeitete Lebensmittel erstmals verpönt wurden. Nun sagt ihm der Geschichtsprofessor Ken Albala von der kalifornischen University of the Pacific eine Renaissance voraus, weil solche Gelees in prekären Zeiten Konjunktur haben – und die Weltwirtschaft sei nur ein Wackeln von der Rezession entfernt.
„Satoyama bezeichnet Orte, an denen Menschen harmonisch mit ihrer Umwelt leben. Yoshihiro Narisawa bringt diese Philosophie in die gehobene Küche“, beginnt der Kölner Taschen-Verlag den Werbetext für sein neuestes Kochbuch. Auf seiner englischen und französischen website fängt es anders an: „In Satoyama Cuisine erfindet Yoshihiro Narisawa die Gastronomie mit den Augen der Natur… Es leitet eine neue Kategorie von Kochbüchern ein“ – wohl wahr: wiegt 15 kg und kostet 1.250 €.
Folge 47
Wer mit der Lufthansa economy Frankfurt-Buenos Aires-Frankfurt fliegt (jeweils über 13 Stunden), könnte die Airline schon beim Anblick dessen, was sie für essbar hält, auf Körperverletzung verklagen. Möglicher mildernder Umstand: Die Lufthansa findet auf der Homepage generell kein lobendes Wort für ihr economy Essen.
Was in der Weinwelt das Terroir (1935 werbewirksam in Bordeaux institutionalisiert), das ist an den Küsten das Merroir (2003 von Greg Atkinson in der Seattle Times kreiert). Nun wirbt Hog Island Saltworks mit dem Merroir in seiner ziemlich nebligen Tomales Bay (50 km nordwestlich von San Francisco): Sein Salz aus dem nährstoffreichen Wasser der Bucht mit fast 50 Spurenelementen bestehe nur zu etwa 75 % aus Natriumchlorid, der Rest enthält eine Vielzahl essentieller Elemente wie Magnesium und Kalium… Was die 4 Unzen (113 Gramm) 10-15 $ kosten lässt. Für die einträglichere Salzgewinnung installierte man ein Gradierwerk nach alter europäischer Sitte.
„Restaurantkritik ist ein seltsamer, einzigartiger, sich zwangsläufig verändernder und leider verschwindender Beruf. Leute, die es ein Leben lang machen, wird es in diesem Bereich wahrscheinlich nicht mehr geben, und es gibt starke Argumente, warum das der Fall sein sollte.“ (Bill Addison von der Los Angeles Times, in einem Nachruf auf die verstorbene Gael Greene, die von 1968 bis 2008 im New York Magazine einer der Vordenker der modernen Restaurantkritik war.)
Chondrus crispus, alias Rotalge, Knorpeltang oder (chic!) Irisch Moos, wird traditionell zu Carrageen verarbeitet und in der Lebensmittelherstellung fürs Gelieren, Verdicken und Stabilisieren verwendet. Nun empfehlen es Kim Kardashian, Cardi B, eine Vielzahl von TikTokern und andere Networker als Superfood in Tees, Smoothies, Joghurts und Säften oder direkt aus dem Glas zu löffeln, weil es zu Gewichtsverlust, klarerer Haut, gesteigerter Libido, verbesserter Fruchtbarkeit etc. verhelfe. Forschungsergebnisse, die die Europäische Agentur für Lebensmittelsicherheit veranlassen könnten, es zu registrieren, fehlen bislang.
Ein Abendessen beim Gemüse-Pionier Alain Passard, 66, erinnerte den Kritiker des Pariser Figaro, Stéphane Durand-Souffland, während der „mehr oder weniger inspirierten Litanei, basierend auf einer Handvoll Gemüse der Saison (Sellerie redundant)“, an das 1947 erschienene Buch „Exercices de style“, in dem der Schriftsteller Raymond Queneau den Streit zwischen zwei Fahrgästen im Linienbus in 99 Stilübungen erzählt. Durand-Souffland: „Es ist brillant und witzig zum bescheidenen Preis von 5,60 €. Alain Passard lanciert eine vergleichbare Herausforderung, aber ohne den gleichen Schwung mit einem Korb Gemüse für 490 Euro. Die Jahreszeit wird zum Alibi für die Wiederholung.“
Folge 46
„Es ist komisch, dass Leute gerne eine Garnele essen, aber kein Insekt essen würden. Als ich das erste Mal Insekten verwendete, gab ich sie auf Pizze für das Kinderkrankenhaus Alder Hey und die Kinder waren begeistert. Zu Hause habe ich Grillenpulver und Mehlkäfer-Larven, die viel Umami haben und unglaublich proteinreich sind. Gegrillt sind sie wie Popcorn.“ (Heston Blumenthal)
Die Althoff Collection meldete Ende September über ihr Restaurant Vendôme: „Der Meisterkoch Joachim Wissler und sein Team schlagen mit ihrer Rückkehr aus der kreativen Sommerpause einen neuen kulinarischen Weg ein.“ Wer den am Tisch nicht erkannte, findet ihn nun auf der Homepage: Jedes Gericht der beiden Menüs ist abgebildet.
Französische Winzer, die insgesamt mehr Vermentino anbauen, als ihre italienischen Kollegen, müssen den Weißwein ab Jahrgang 2022 umbenennen; ebenso wie Maltas Winemakers. Die EU gab einem Antrag aus Italien statt, dass nur dessen Winzer den Rebsortennamen als geschützte Herkunftsbezeichnung verwenden dürfen. Ob diesem Verdikt aus Brüssel auch die Winzer mit Vermentino-Rebstöcken in Kalifornien, Texas, North Carolina, Virginia, Australien, Brasilien und im Libanon folgen?
An Thanksgiving (24. November) essen laut US-Statistiken 88 % der Amerikaner insgesamt 46 Mio Truthähne. Dieses Jahr müssen sie fürchten, mehr als das Doppelte für ihre Pute als 2021 zu bezahlen – sofern sie überhaupt das Gewünschte bekommen. Folge der gestiegenen Kosten für Futtermittel, Kraftstoff und Arbeitskräfte sowie der Dürre und der Vogelgrippe. Besonders betroffen sind jene 30 %, die einen frischen Vogel kaufen.
Fast jeder bekannte Pariser Pâtissier betreibt bereits oder eröffnet demnächst eine Boutique in London. Vielleicht resultiert der verlockende Drang aus dem, was Angelo Musa (Plaza Athénée und Harrod’s) u.a. an der Stadt findet: „Einige lokale Afternoon Teas ziehen das Visuelle dem Geschmack vor.“
Am Morgen nach dem Eröffnungsabend des „Bonnie“, der jüngsten Location des eher auf Glamour als Genuss bedachten Unternehmens Paris Society, meldete das französische Nachrichtenmagazin Le Point: „Das neue Restaurant ist die Sensation dieser Saison: Es beglückt Pupillen und Papillen“ – und bejubelte 4 Gerichte. Der Pariser Figaro berichtete 10 Tage später aus dem Normalbetrieb von einem überwältigenden Eindruck, „aber es ist alles in der Einrichtung und nichts auf dem Teller.“
Folge 45
„Ich fühle mich mehr zu Bitterkeit als zu Säure hingezogen, obwohl es einfacher ist, mit Säure zu arbeiten. Die Bitterkeit ist eleganter.“ (Dreisterneköchin Anne-Sophie Pic)
Das Verbot von Stopfleber in New York City, 2019 vom Stadtrat beschlossen, wird nicht am 25. November in Kraft treten, da zwei außerhalb gelegene Entenmastbetriebe (Hudson Valley Foie Gras und La Belle Farm in Ferndale) Klage dagegen erhoben haben. Sie fürchten wirtschaftliche Schwierigkeiten bis hin zu Geschäftsaufgabe und Verlust von 400 Arbeitsplätzen; außerdem habe der Stadtrat seine Befugnisse überschritten, weil er über landwirtschaftliche Praktiken außerhalb der Stadt entscheide.
Los Angeles war nicht nur früh vom Showbusiness, sondern auch von Reformkost ergriffen. So enthielt das 1928 dort erschienene Buch „Diet for health by natural methods“ von Dr. Philip M. Lovell bereits Rezepte für Hafer-, Mandel-, Kokos- und Sojamilch.
Schon in den Anfängen seines Guides beklagte Christian Millau (vor fast 50 Jahren), dass Europa keine erfolgreiche Antwort auf Amerikas Fast Food einfällt. Und was lobt Frankreichs größte Tageszeitung, Le Monde, letzte Woche? „Pariser Köche veredeln die großen amerikanischen Streetfood-Klassiker Hot Dog, Bagel, Pastrami…“
Europäische Restaurants, denen Michelin den ersten, zweiten oder dritten Stern verlieh, müssen danach in Online-Beurteilungen mehr kritische Anmerkungen zu Service und Essen, aber keine niedrigere Gesamtbewertung erwarten – ermittelte eine Forschungsgruppe (der Fachrichtung Informationsmanagement) der Universidade Nova in Lissabon aus 8.871 englischsprachigen TripAdvisor-Kommentaren.
Folge 44
Bei Großveranstaltungen in Bremen soll mindestens die Hälfte der Essensstände rein vegan sein, fordert die Bürgerschaftsfraktion der Grünen. Dass sich (laut Ernährungsreport 2022 der Bundesregierung) nur 1 % der Deutschen vegan ernährt, muss Grüne ja nicht interessieren. (7 % essen vegetarisch.)
Die 2023er Ausgabe des französischen Michelin wird am 6. März in Straßburg präsentiert, weil erstens aus dem Elsass offiziell 390.000 € an die Manufacture Française des Pneus Michelin fließen und weil zweitens laut Guide-Chef Poullennec „der gastronomische Ruhm des Elsass‘ nicht nur unsere nationale kulinarische Szene inspiriert, sondern weit über die Grenzen Frankreichs hinausgeht. Das Elsass, das schon immer einige der größten Talente in der Gastronomie hervorgebracht hat, glänzt mit der Vielfalt seines Know-hows, seiner Rezepte und seiner Produkte. So viele Vorzüge und Referenzen, die es zu einer idealen und natürlichen Region machen, um unsere neue Auswahl an Restaurants zu präsentieren.“ Bis dahin gilt das Fazit des Pariser Gastro-Journalisten Gilles Pudlowski über die Elsass-Bewertungen des Guides: „Der Michelin versteht es meisterhaft, danebenzuliegen.“
Norbert Niederkofler, bester Koch in Südtirol, findet seine fermentierten Zwetschgen, die er gerne als Tomaten-Imitation auf Bruschetta serviert, „einen genialen Ersatz für Ketchup. Das hätte riesige gesundheitliche Vorteile, weil außer dem Fruchtzucker kein anderer Zucker drin ist. Normalerweise sind 600 Gramm Zucker in einer Literflasche Ketchup.“
„Bis zu dem Moment, als er tatsächlich eines eröffnete, schien niemand besser geeignet zu sein, ein Bouchon im Lyoner Stil in New York City zu betreiben als Daniel Boulud (der dort aufwuchs und ausgebildet wurde). Dann kam Le Gratin und es wurde klar, dass er überhaupt nicht der Richtige für den Job war. Statt der Bouchon-Spezialitäten gibt‘s französische und französisch-leichte Gerichte, die in ganz Manhattan zu finden sind, aber nicht überall so gut sein werden wie im Le Gratin.“ (Pete Wells in der New York Times)
Als erstes Produkt ihrer globalen Partnerschaft kündigen Macallan und Bentley für den Sommer 2023 den Single Malt Horizon an Das Besondere: Das Produkt der vertikal orientierten Schnapsindustrie folgt der horizontalen Autoausrichtung. Folglich hat die Karaffe aus Glas und Aluminium keinen Standfuß und liegt in wertvoll anmutender Kupfer/Eiche-Ummantelung. Da die Destille zur Güte nichts sagt, lässt sich die Zielgruppe aus der PR der VW-Tochter erkennen: „Ein einzigartiges Konzept der Verpackung und die Form des Designs haben es ermöglicht, Licht fast wie ein anderes Material für sich zu behandeln, und das Zusammenspiel zwischen Licht und den Materialien Holz, Aluminium und Kupfer ist außergewöhnlich.“
Wer in den letzten vier Stunden Knoblauch gegessen hat, darf in der US-Stadt Gary (Geburtsort von Michael Jackson und der Wirtschafts-Nobelpreisträger Samuelson und Stiglitz) weder ins Kino gehen noch öffentliche Verkehrsmittel benutzen. Im Bundesstaat New Jersey ist es verboten, Suppe zu schlürfen, in Wisconsin darf Apfelkuchen nur mit einer Scheibe Käse obendrauf serviert werden. (Ernstgenommen werden die Gesetze nirgends.)
Folge 43
Pariser Gerüchteküche: Alain Ducasse verliere nach dem damaligen Dreisternerestaurant im Plaza Athénée nun auch das Zweisternelokal im Schwesterhotel Meurice. Noch schlimmer für sein angekratztes Image wäre der zudem gemutmaßte Verlust seiner letzten großen Bühne, des Louis XV in Monte Carlo. Dort wird ein Jahresverlust von 2,5 Mio € gemunkelt (ein Posten: die 800.000 € Honorar für Ducasse.) Auf der Suche nach einem Kochstar, der im Fürstentum auch finanziell erfolgreiche Gastronomie betreiben könne, scheint Yannick Alléno, der 2 Lokale in Monaco hat, favorisiert.
Mehr noch als mit ihren Weinen, deren kühne Cuvées europäische Traditionalisten in Schockstarre versetzen können, wirbt die mexikanische Region Valle de Guadalupe (südlich der Grenze zu Kalifornien) mit Nostalgie: Man fühle sich wie im Napa Valley der 1980er oder 90er Jahre, als Verkostungen billig, Reservierungen nicht erforderlich und Weine für zweistellige $-Beträge pro Flasche zu haben waren.
Norbert Niederkofler, der mit seinem Konzept „Cook the Mountain“ die Kulturlandschaft Südtirol erhalten und die nachhaltige Entwicklung unseres Planeten fördern will, setzt dabei „vor allem auf den Respekt vor dem Produkt und die Kenntnis der richtigen Garmethode, um geschmacklich das Beste herauszuholen“. Dazu sagte der Dreisternekoch der FAZ: „Ich musste mir neue Wege überlegen, wie man die Produkte optimal nutzen kann, um sie zu 100 Prozent zu verwerten. Dazu musste ich für die Einzelteile des Fischs verschiedene Techniken ausprobieren. Es gibt für Schuppen, Haut, Fleisch, Karkasse und Kopf eine jeweils andere optimale Methode. Schuppen werden anders gegart als die Haut und die anders als die Karkasse. Wir müssen für ein sehr einfaches Gericht fünf bis sechs verschiedene Schritte machen und Techniken anwenden. Dadurch werden einfache, banale Dinge extrem komplex und erfordern einen großen Arbeitsaufwand.“ Dem Interviewer fiel dazu nichts ein.
Wird der Power-Lunch abserviert? In den ersten 4 Monaten dieses Jahres sank die Zahl solcher Geschäftsessen im Vergleich zu 2019 in Washington und New York um 38 %, in Chicago um 58 %.
Folge 42
Seit 20 Jahren schmecken Locavore, Farm-to-table und Region wie das Synonym für eine ethischere, gesündere und nachhaltigere Ernährung, gepriesen von Medien, Regierungen, Denkfabriken und Umweltorganisationen. Doch das ist es nur selten. Denn „eine kürzere Entfernung zwischen Landwirt und Verbraucher hat keine großen Auswirkungen auf die Treibhausgasemissionen“, ermittelte Laura Enthoven vom Earth and Live Institute der Universität im belgischen Louvain. In Europa macht der Transport 6 % vom CO₂-Fußabdruck der Lebensmittel aus, in den USA 5 %. Beim Rindfleisch sind’s grade mal 1 %, zum Rest addieren sich vor allem methanreiches Kuhrülpsen und der Anbau des Tierfutters.
Winzer, die Weißweine und Rosés in durchsichtigen Flaschen aus Flintglas abfüllen, um ihre Farbe hervorzuheben, müssen hoffen, dass die nur eine Woche im Verkaufsregal liegen. Denn dann können Standard-Leuchtstofflampen beginnen, „die Produktion stinkender Verbindungen“ auszulösen. Die Warnung kommt nach Lichttests von Dr. Fulvio Mattivi, Lebensmittelchemiker an der Weinakademie in San Michele all‘Adige im Trentino.
„Der einfachste Weg, den Geschmack dessen, was wir trinken, zu verbessern, besteht darin, Musik zu hören, die wir mögen.“ (Charles Spencer, Professor am Crossmodal Research Laboratory der Universität Oxford)
Köche fluten die sozialen Netzwerke mit inszenierten Fotos, Videos und Statements. Sind heute im TV, morgen bei einem Kollegen, am nächsten Tag unter blauem Urlaubshimmel, zeigen sich mit einem Fußballstar, am Steuer eines Luxusautos oder mit teurer Uhr am tätowierten Arm. Küchenchefs demonstrieren wirtschaftlichen und sozialen Erfolg, sammeln Views und Likes, sonnen sich im medialen Starkult. Ihrem Berufsstand bringt das nix: Öffnungszeiten und angebotene Gerichte schrumpfen, Personal und Nachwuchs fehlen. So ist’s halt bei viel Image und wenig Message.
Folge 41
Der Gästeveralberung im Restaurant gleicht das Passagierveräppeln an Bord. Die von der Gategroup-Tochter Servair als kulinarische Aushängeschilder geheuerten Dreisterneköche Anne-Sophie Pic, Massimo Bottura und Régis Marcon ließen letzte Woche ein Manifest für ihre Bordarbeit fliegen: „Wir glauben an eine Küche, die die Welt zu einem besseren Ort macht… Durch die Berücksichtigung der mit der Ernährung verbundenen Umwelt- und Gesundheitsfragen. Durch den Respekt vor unserem Ökosystem, unseren Produkten und unseren Produzenten und durch die Richtigkeit unserer Entscheidungen bei der Konzeption und Umsetzung der Menüs. Durch die Inspiration, die uns antreibt, und die Kühnheit, Innovationen für eine ethischere und gleichzeitig verführerischere Küche zu entwickeln.“ Wenn Ihnen also demnächst bei Lufthansa, Condor und TUIfly oder bei Emirates, Singapore Airlines und Easyjet etwas serviert wird, dann essen Sie es in Würdigung der „Aufmerksamkeit, die wir in jedem Augenblick auf das Gleichgewicht zwischen Genuss, Ästhetik, Wohlbefinden und Ernährung richten“.
Der Personalmangel in der französischen Gastronomie wird dramatisch: Zum ersten Mal in seiner Geschichte musste das Restaurant Haeberlin eine Stellenanzeige aufgeben, um Servicelücken zu schließen.
Coca-Cola verbrauchte 1,84 Liter Wasser für jeden produzierten Liter Cola, Winzer benötigten 7 bis 16 Liter Wasser pro Liter Wein, meldete die Zeitschrift Water Science & Technology für 2020. Um Wasser zu sparen, wird Weingütern u.a. empfohlen, UV-Licht statt Wasser und Reinigungsmittel zur Desinfektion ihrer Tanks zu verwenden, im Rebberg technologisch die Bodenfeuchtigkeit auf Mikroebene zu überwachen und gezielt statt gesamthaft zu bewässern oder sich um aufbereitetes Abwasser zu bemühen.
„Es war einfach Zeit für was Neues“, informierte der Sylter Sternekoch Holger Bodendorf die Presse. Deshalb habe er renoviert, künftig nur noch viermal pro Woche geöffnet und die Küchenlinie auf minimalistischere Teller fokussiert. „Zudem bekommen Gäste die Küchenmannschaft deutlich öfter zu Gesicht,“ teilt der (laut seiner Homepage) „Grand Chef mit dem sicheren Blick für kommende Trends und kulinarische Innovationen“ mit, „denn Gerichte wie Rote Bete im Salzteig werden am Tisch finalisiert.“ Das ließ übrigens schon 1990 ein gewisser Alfons Schuhbeck vorführen, wie damals lobend in Willsbergers Gourmet und im Gault Millau berichtet.
Folge 40
„Das Tantris geht eben gerne ungewöhnliche, neue Wege“, begründet Besitzer Felix Eichbauer laut Süddeutscher Zeitung, dass er bei der Gala zum 50-jährigen Bestehen ein rein vegetarisches Menü bietet. Nach dessen sieben Gängen, meldet Lokal-Reporter Franz Kotteder in der SZ, „sind die letzten Skeptiker überzeugt und schwärmen von den Genüssen der vegetarischen Küche.“ Eckart Witzigmann hingegen, der den bisherigen Ruf des Tantris geprägt hat, kommentiert laut Bild launisch: „Ein gutes Stück Fleisch ist ein Muss. Die ganze Nachhaltigkeit langweilt mich.“
Wer sich mit dem Zeitgeist vermählt, muss damit rechnen, bald Witwer zu werden. (August Everding)
Frankreichurlauber werden „einen anderen Sommer als sonst erleben“, vorwarnt Alain Fontaine, Präsident der französischen Gastronomenvereinigung (AFMR). „Derzeit suchen wir zwischen 330 000 und 360 000 Mitarbeiter … An Ihren Urlaubsorten werden Sie sehr schnell feststellen, dass Restaurants, die normalerweise sieben Tage die Woche geöffnet haben, an einem oder anderthalb Tagen schließen.“ Um Personal zu finden, setzt Fontaine auf Einwanderung und den Vorschlag der Gewerkschaften, den Mitarbeitern jeden Monat ein freies Wochenende zu garantieren.
Weil das eingesessenen Einheimischen gehörende und nur kalifornischen Zuchtkaviar verkaufende Unternehmen Tsar Nicoulai in San Francisco, dessen Umsatz seit Beginn der russischen Invasion in der Ukraine um 50 % sank, zur Zielscheibe von Hassbotschaften und Boykottdrohungen wurde, tragen die Mitarbeiter blau-gelbe Anstecknadeln mit der Aufschrift „Unterstütze die Ukraine, nieder mit Putin“. Und der aus Donezk stammende Sergey Shukaylo, der vor 5 Jahren in San Francisco das Restaurant Puschkin eröffnete, taufte es wegen antirussischer Gästeproteste in Leleka um (Ukrainisch für Storch).
Aus dem Newsletter eines sehr bekannten Feinkosthauses: „Unser vegetarisch-veganes Restaurant wurde für den fizzz Award vorgeschlagen – dem ‚Oscar‘ unter den Trendgastronomien. Wir sind in der Kategorie ‚Green Management des Jahres‘ nominiert… Wir freuen uns sehr, wenn Sie bis zum 19. Juni für uns abstimmen! So geht’s: Einfach … nach unten scrollen und das Häkchen bei … setzen. Wir sagen Danke: Sie erhalten 15 % auf alle Produkte im Onlineshop.“ Award-Verleiher Fizzz hat eine verkaufte Auflage von 1324 Exemplaren, herausgegeben in der zweitgrößten Weinbau treibenden Gemeinde in Deutschland (67433 Neustadt).
Alain Ducasse, altersweise: „Man sollte sich nie sagen, ich mache nichts, weil es schwierig ist, die Wahrheit ist, dass es schwierig ist, weil wir nichts tun.“
Folge 39
Führen die Fast Food-Vorliebe von Verbrauchern zur Fast Cooking-Karriere von Köchen und das permanente Zappen in der Freizeit zu immer rascherem Wechsel im Beruf für schnelleres Weiterkommen? Französische und andere internationale Kochschulen bieten zunehmend Kurzformate der Ausbildung an und wollen damit nach eigenem Bekunden dem wachsenden Personalmangel begegnen. Plausibler ist, dass sie in einer Welt, der alles immer schneller gehen muss, der gewünschten Karrierebeschleunigung von Köchen dienen möchten.
Die Art von frischem, kühlem Rot, die derzeit beim Wein trendy ist, erweckte Cabernet Pfeffer aus dem Dornröschenschlaf: einen leichten, nach roten Früchten und weißem Pfeffer schmeckenden Roten aus dem weithin unbekannten kalifornischen Cienega Valley (westlich von Monterey). Die Cabernet Pfeffer-Rebe, nicht verwandt mit Cabernet Sauvignon und einst im Bordelais als Mourtaou bekannt, wurde 1903 von dem eingewanderten deutschen Rebschulebesitzer William Pfeffer in Saratoga geliefert und überlebte auf insgesamt 15 Hektar der Weingüter Enz, Wirz, Gemelli und DeRose. Da die ertragreiche Traube auch in heißesten Sommern Frucht und Farbe behält, wuchs die Anbaufläche dieses Jahr auf 35 Hektar.
Großes Erstaunen nach Corona: Die „Music City“ Nashville (Tennessee) hat nach der Pandemie 197 Restaurants, Bars und Cafés sowie 23 Hotels mehr als vorher. Begründung aus der Metropole der Country und der African American Music: Hier wurde zukunftsorientiert weitergebaut, während alles geschlossen war.
In 175 Weingütern des Napa Valley knabbern die Besucher bei Weinverkostungen die Grissini Panevino No. 6 des Ehepaars Mimi Martin und David Katz aus St. Helena. Die anbietenden Winzer schätzen das rechte Maß an Salzigkeit und Fett (aus Meersalz und nativem Olivenöl extra) sowie die frische Knusprigkeit. Das 4-Unzen-Päckchen (114 g) kostet 10 $ und ist auch mit Geschmack von Olive, Cheddar oder kalabrischem Chili erhältlich.
Folge 38
Weintrinkende Greta Thunberg-Jünger sollten ihre Weißen und Roten gefälligst in alternativen Verpackungen kaufen: Denn der CO₂-Fußabdruck von Glasflaschen ist etwa fünfmal größer als der von Aluminiumdosen und der Wasserverbrauch etwa viermal größer als bei der Bag-in-Box (alias Plastiktüte in der Pappschachtel). Für diese Nachhaltigkeit beim Abfüllen müsste das in allen Weinfragen weltbewegende Bordelais das Startsignal geben. Doch die Winzer in Bordeaux dürften es damit so eilig haben wie bei der Verwendung von Kronkorken.
Können Sie sich noch erinnern, wann Sie montagsabends spontan gut essen gehen konnten? Glauben Sie, dass Sie künftig irgendwann spontan gut essen gehen können?
Wem da nicht ein Geschäftsmodell der Deutschen Umwelthilfe einfällt… Andres Gomez aus Florida verklagte seit Jahresbeginn mindestens 50 kalifornische Weingüter, dass ihre Websites ihm als Sehbehinderten „die volle Nutzung und den Genuss der Einrichtungen, Waren und Dienstleistungen verweigerten“, weil beispielsweise die Fotos kein Textäquivalent haben, das von einem Screenreader interpretiert werden könne, oder der „Kontrast, der eine Unterscheidung von Hintergrund- und Vordergrundelementen ermöglicht, unzulässig niedrig“ sei. Detailliert publik wurde der Fall eines Winzers, der wegen Multipler Sklerose im Rollstuhl sitzt und nur 1.000 Kisten Wein p.a. produziert. Gomez forderte zunächst 28.000 $ und gab sich mit 8.000 $ zufrieden; der Winzer zahlte, weil ihn laut juristischem Rat ein Gerichtsverfahren teurer käme. Nun schöpft er Hoffnung: Die Bezirksstaatsanwälte von San Francisco und Los Angeles erklärten die von der Gomez-Anwaltskanzlei angestrengten Verfahren zu „missbräuchlichen Standardklagen“, forderten deren richterliche Einstellung und die Rückzahlung der in bisherigen Vergleichen ausgehandelten Beträge.
Auf die Frage, warum das Essen in dem Film Turning Red so gut aussieht, antwortete Produktionsdesignerin Rona Liu: „Die wichtigste Zutat ist der ölige Glanz, mit dem wir alles überziehen.“ Diesen schönen Schein in der computeranimierten Disney-Komödie bewirkt Schmalz.
Folge 37
„Was unterscheidet Kinder von Köchen? Die lieben Kleinen hören auf, an den Weihnachtsmann zu glauben, wenn sie größer werden. Köche glauben ihr Leben lang an den Michelin“ (Jörg Zipprick, Journalist und Restaurantkritiker).
Winzer nicken zumeist zustimmend, wenn jemand ihren Wein beschreibt. Was könnten sie auch diskutieren, wenn er als trocken, elegant oder rustikal empfunden, mit Mozart, Obst und Gemüse oder Eisbonbon verglichen wird? Welcher Weintrinker kann mit elegant schon ausdrücken, was einem Mathematiker dazu einfällt: unerwartet einfache Problemlösung, trifft den Kern der Komplexität des Problems und verrät mehr über das Thema als nur sein Ergebnis.
„Wasser ist das einzige Getränk, das den Durst wirklich stillt; deshalb kann man auch nur wenig davon trinken“ (Brillat-Savarin 1826).
„Erschrecken Sie nicht, wenn sich unsere Mitarbeiter zur Aufnahme der Bestellung hinsetzen. Sich gut um Sie zu kümmern bedeutet, sich gut um uns selbst zu kümmern,“ proklamiert Sommelière Camille Lindsley, die diesen Monat mit ihrer Lebensgefährtin, der Köchin Telly Justice, in Manhattan das erste Restaurant mit gehobener Küche eröffnet, in dem Queerness an oberster Stelle steht und alles andere danach kommt. Weitere Besonderheiten im Hags: Der Service trägt geschlechtsneutrale Kleidungsstücke, die an verschiedenen Stellen zusammengezogen werden und dadurch männlicher oder weiblicher wirken können. Für Gäste wie Mitarbeiter gibt’s Pronomen-Anstecknadeln, die anzeigen, wie sie angeredet werden wollen. Am Tisch wird in der Reihenfolge bedient, die es dem Service am leichtesten macht.
Folge 36
Die neue Top-Chef-Staffel im französischen Fernsehen verlor seit ihrem Start im Februar ein Drittel ihrer Zuschauer. Die meisten Abtrünnigen bekundeten im Netz Unverständnis bis Ekel, als die Kandidaten Desserts mit Meeresfrüchten zubereiten sollten und diese Kreationen anrichteten: Eis aus Jakobsmuscheln und Pralinen aus deren Bärten; Vacherin mit Seetanggebäck und Algengelee; Birne mit Tatar, Zungen und Saft von Seeigeln; gekochte, dann geräucherte und in Zuckerwasser aufgeweichte Muscheln.
Immer wieder grübeln Köche: Was kann ich dem Gericht noch hinzufügen? Und werden beliebig. Kluge fragen seit jeher: Was kann ich weglassen, um das Wesentliche zu erreichen?
Arbeitsmarktlage oder Götterdämmerung? Alain Ducasse hat in seinen Pariser Restaurantküchen 40 offene Stellen.
„Die Trüffel ist kein positives Erotikon. Bei bestimmten Gelegenheiten kann sie aber die Frauen nachgiebiger machen,“ beobachtete Brillat-Savarin. Das bewirkt der damals noch nicht entdeckte Duftstoff Androstenol, nach dem auch Männerschweiß riecht.
„Der körperliche und geistige Verfall kann auch durch einen Mangel an Riech- und Schmeckstoffen beschleunigt werden,“ diagnostizierte Dr. med. Hans Glatzel, Professor für Ernährungsphysiologie am Max-Planck-Institut. „Denn sie machen das Essen zum Erlebnis.“
Folge 35
Seit Jahrzehnten teilt der Michelin zum Erscheinen seiner neuen Ausgabe gebetsmühlenhaft mit, dass die deutschen Köche immer besser kochen und die Gesamtzahl an Sternerestaurants einen neuen Rekordwert erreicht. Das beten die Medien dann per dpa-Text gedankenlos oder, wie FAZ und SZ, in eigenen Worten gedankenarm mit den Bewertungen herunter. Da der Michelin nie eine Begründung liefert, gibt es jeweils nur eine: Servierte er nicht reichlich neue Sternelokale, würden die Medien sein Erscheinen nicht erwähnen. Als einziger bundesweit gelesener Journalist schmeckt noch Jürgen Dollase, wie immer man seine Haare in der Suppe findet, eine neue Ausgabe kritisch ab, lobend und tadelnd. Seine diesjährige Überschrift: Der Fehlgriff. Dazu greift der Michelin, um Aufmerksamkeit zu generieren: in Frankreich mit einer Haeberlin-, hierzulande mit einer Wissler-Abwertung.
Wer bei Aromen en vogue sein will, sollte Ume kennen: eine roh ungenießbare japanische Aprikosen-Verwandte, die in Flüssigkeiten eine süßsaure Wirkung entfaltet. In Kalifornien bereits in Cocktails, Spirituosen, Sirupe und Essigen abzuschmecken.
„Die Sinne arbeiten morgens von 9 bis 11 Uhr am besten. Dann ist die Riechschleimhaut frisch und unbelastet und die Zunge relativ neutral. Ab 11 Uhr wird es schwierig, da kommt Hunger auf, und man empfindet vieles intensiver als sonst. Auch bei einer abendlichen Weinverkostung sind wir eingeschränkt.“ (Christine Brugger, Schweizer Ernährungswissenschaftlerin und Sensorikerin, die für Nestlé und Givaudan arbeitete)
Essen, das nicht schmeckt, macht krank. Selbst wenn’s noch so gesund ist.
„Fast Food ist die industrielle Umsetzung der Erkenntnis, dass der Mensch bequem war, bequem ist und bequem bleiben wird. Ein Wunder, dass wir noch freiwillig kauen, was wir hinunterschlucken. Wir sind zu bequem, Feuer zu machen, Suppen zu kochen und Orangen auszupressen. Wir wollen zwar essen, aber wenn’s geht, dafür nicht kochen müssen. Die ‚Speisung der 5000‘ war deshalb so populär, weil da zwei symbolische Fische und eine Menge Wasser genügten, um tausende Leute zu beköstigen. Das war die Geburtsstunde des Fast Food: Fischaroma mit Wasser aufgießen, und die Konsumenten rufen Hosianna.“ (Wolfram Siebeck 1998)
Folge 34
Insbesondere die Neue Welt sieht die Ära der Starköche passé und die Restaurantwelt künftig durch den Service (dessen Entlohnung, Arbeitszeiten und Arbeitsrhythmus), Metoo und Wokeness geprägt.
Der Sonderausschuss des EU-Parlaments zur Krebsbekämpfung (BECA) forderte letzte Woche den Beschluss, dass „Alkoholkonsum ein Risikofaktor für viele verschiedene Krebsarten ist“ und dass „Tabak- und Alkoholkonsum, schlechte Ernährung, ein hoher Body-Mass-Index, eine sitzende Lebensweise und Umweltverschmutzung Risikofaktoren sind“. Doch die Mehrheit der Abgeordneten fügte vor Alkoholkonsum jeweils „schädlicher“ ein. Zu denen, die Winzer, Brenner und Brauer aufatmen ließen, zählte auch Spaniens frühere Gesundheitsministerin Dolors Montserrat. Ihre Begründung: „Wir lehnen den missbräuchlichen Konsum von gesundheitsschädlichem Alkohol ab und verteidigen den maßvollen Weinkonsum.“ Sie hat an Unis in spanischer, italienischer und deutscher Weinregion Jura studiert…
Vegetarier und Veganer könnten mit Leo Tolstoi agitieren: „Solange es Schlachthöfe gibt, gibt es auch Schlachtfelder.“
Die Süddeutsche Zeitung verkündete letzten Sonntag sowohl unter SZ.de als auch im Infotainment-Angebot in der S-Bahn ihres Erscheinungsorts: „München hat wieder einen bayerischen Japaner“, im Restaurant Ciao Chang gibt’s „Wammerl-Bao, Bayrisch Pho … und aus ‚Armen Rittern‘ werden die ‚Armen Samurai‘.“ Außerhalb des SZ-Münchens ist Bao chinesisch, Phở vietnamesisch und der Arme Ritter alemannisch.
„Du ju häf e Ruhm for tu Pörsens? … Nach Rezepten zu kochen ist wie das Erlernen einer Sprache nach dem Sprachführer. Es bildet stets nur einen beliebigen Bruchteil aller Möglichkeiten ab“. (Hobbykoch Karl Gerstner, das erste G der legendären Werbeagentur GGK; † 2017.)
Folge 33
Weil sich „1 % der gesamten Weltbevölkerung derzeit vegan und 8 % vegetarisch ernähren … und die vegane Ernährung … Ende der 2010er Jahre zum Mainstream wurde“ bietet das Travel-Tech-Unternehmen Sweet Inn seiner Kundschaft eine „gründlich recherchierte“ Weltrangliste der „Städte mit den meisten veganen und vegetarischen Michelin-Sternen“: London (31), Hongkong (21), Paris (18), Amsterdam, Shanghai und New York (je 10), Berlin (8). „Die deutsche Hauptstadt wird“ laut Sweet Inn „regelmäßig zu einer der besten Städte der Welt für Veganer gewählt, rund 80.000 der 3 Millionen Einwohner verzichten auf Fleisch und Milchprodukte.“
Für den Chefs Culinar-Podcast „Tisch für Drei“ ist Wolfgang Kubicki „vor allem eines: Genießer“. Als solcher erwähnt der FDP-Vize beiläufig italienische Weine, mediterrane Küche und seine Abneigung gegen „schwere deutsche Kost“. Dann wird er konkret: „Fast alle Kohlgerichte sind bei mir hochwillkommen und ich bin ein absoluter Fan von Kohlrouladen“.
Fifth Dimension Chocolates in London, das in seiner Pralinen-Manufaktur bereits Mint & Miso, Kambodschanisches Curry sowie Yuzu & Rosa Pfefferkörner im Aromenspektrum hat, kombiniert in seiner neuesten Kreation chinesische schwarze Bohnen, sonnengetrocknete Mandarinenschalen und Karamell-Schokolade zu „Guangzhou“. Die Preise beginnen bei 27 € für eine Schachtel mit 12 Stück.
Trendsetter? In den USA schaffte ein Dutzend Gastronomen das Telefon im Restaurant ab. Hauptbegründung: Personal werde unproduktiv beschäftigt, Gäste könnten alles per Internet erreichen.
Veterano Pizza in Kiew, laut Homepage von ehemaligen Soldaten in Kiew gegründet und betrieben, unterstützt einen Regierungsbeschluss, der Waffenbesitz erleichtert: Gegen Vorlage des Kaufbelegs für eine Schusswaffe gibt’s eine quattro stagioni gratis. Dazu mahnt der Patron via Facebook: „Denken Sie daran, ohne Training ist eine Waffe nur Plastik und Metall. Üben Sie!“
Folge 32
Armes Paris. Die Ankündigungen von Niko Romito, Dominique Crenn und Akira Back, 2022 Filialen ihrer Restaurants in der französischen Hauptstadt aufzumachen (zwei davon in Hotels), lässt deren Tageszeitung Le Figaro schwärmen, dass Paris „Epizentrum der gastronomischen Welt“ wird.
Auch ein Grund für Probleme in der Gastronomie? Die „Initiative Gesundheit und Arbeit“ (der Krankenkassen und Unfallversicherung)) ermittelte in einer repräsentativen Studie, dass mindestens 20 bis 30 % der Produktivität von Beschäftigten durch fehlendes gutes Benehmen und Mistkerle auf der Chefetage oder im Kollegenkreis verloren gehen.
Die wissenschaftliche Entwicklung immer perfekterer (und teurerer) Gläser für jedweden Wein in den Kristallglasmanufakturen verulken Naturweinbars mit demonstrativ simplen: Gläser sind zum Trinken da und nicht zum Schmecken. Na dann: eins, zwei gsuffa…
Texte auf Lebensmittelverpackungen werden immer kleinkindhafter. Bei diesem vermeintlich absatzfördernden „Wackaging“ – ein englisches Kunstwort aus wacky (bekloppt) und packaging (Verpackung) – fürchtet The Guardian in London, dass aus „Kühl und trocken lagern“ ein „Ich liebe es im Schrank!“ wird.
Folge 31
Gästen, die während des Essens auf ihr Handy verzichten, offeriert Samy‘s Diner in Albi bei Toulouse seit 1. Januar einen Kaffee, Tee oder Digestiv. Manager Adrien Martin, 28, dessen amerikanisiertes Lokal mit einem Chevrolet-Oldtimer und alten Texacon-Zapfsäulen ausstaffiert ist: „Es gibt drei Arten von Reaktionen: Diejenigen, die die Idee genial finden und sofort mitmachen, noch bevor wir sie fertig erklärt haben, die, die um 5 Minuten bitten, um alles zu erledigen, was sie tun müssen, bevor sie ihr Telefon beiseitelegen, und schließlich diejenigen, die sich weigern“. Das waren in den ersten 10 Tagen ein Dutzend Gäste.
Afrikas Küche bekommt eine internationale Bühne: Alexander Smalls, umtriebiger schwarzer Gastronom aus New York, und die Londoner (Hospitality-Agentur) TGP International kreierten eine Markthalle namens Alkebulan. Sie bietet, zunächst in Dubai, dann in New York und London, 11 Stände, in denen Köche und Gastronomen ihren Kontinent vom westafrikanischen Streetfood bis zu inspirierten Gerichten aus ostafrikanischen Meeresfrüchten repräsentieren – mit hehrem Anspruch: Alkebulan, ein alter Name für Afrika, ist die „Mutter der Menschheit“.
Gruyère darf für den US-Markt nach einem noch nicht rechtskräftigen Bundesgerichtsurteil auch anderswo als in seinem Ursprungsort hergestellt werden. Bitter für die rund 200 Produzenten im Kanton Fribourg ist auch: Die USA importierten von 2010 bis 2020 mehr Gruyère heißenden Käse aus den Niederlanden und Deutschland als aus der Schweiz – und ihre Geschäfte verkaufen seit Jahrzehnten auch Ware aus Dänemark, Ägypten und Tunesien mit dem Namen Gruyère.
Folge 30
Das Berliner Restaurant Nobelhart & Schmutzig, das in keinem kulinarisch orientierten und finanziell unabhängigen Ranking auffällig ist, aber bei The World’s 50 Best Restaurants als zweitbestes deutsches Restaurant auf Platz 45 kam (nach dem Berliner Tim Raue auf 31), dürfte seinen Rang behalten. Denn die in Berlin lebende Lorraine Haist, Madame-Kolumnistin und Vorsitzende der deutschen Jury von 50best, teilte in der Süddeutschen Zeitung mit: Patron Billy Wagner „kooperierte mit einem feministischen Künstlerinnen-Kollektiv und verteilte Gebäck in Vulven-Form als Wegzehrung an die Gäste. Derzeit gibt es Kondome für den Nachhauseweg, bedruckt mit einer Abhandlung über einvernehmlichen Sex.“
2020 stieg während der Pandemie der Haustierbesitz von US-Haushalten auf ein Allzeithoch von 70 %. Das inspirierte Sternekoch Joshua Skenes vom Angler in San Francisco zur Kooperation mit der Hundefuttermarke Jinx und einem zweiteiligen Menü für Hunde (aus Lachs und Hühnchen mit Kaviar aus hundsgenehmen Zutaten) und das Alba im Napa Valley zu einer „Yappy Hour für unsere vierbeinigen Freunde“. (Und Hilton Hotels entwickelt mit der Tierfuttermarke Mars Petcare einen „neuen Standard“ für haustierfreundliche Hotels.)
Zur Wein-„Persönlichkeit des Jahres 2022“ kürte die Revue du vin de France Präsident Emmanuel Macron, der 14.000 Flaschen bester französischer Winzer im Elysée-Keller hat, um „am Ende seiner Amtszeit zu würdigen, dass zum ersten Mal seit Jahrzehnten ein Präsident der Republik laut und deutlich erklärt hat, dass er Wein liebt“. Sein markantestes Bekenntnis: „Solange ich Präsident bin, wird es keine Verschärfung des Evin-Gesetzes geben“ – das seit 1991 die Werbung für alkoholische Getränke reguliert.
Wie konnte Whisky on the rocks, bei dem der erste Schluck den stärksten und der letzte den schwächsten Eindruckt macht, so viel Anklang finden…
Folge 29
In den USA brach Marktführer Beyond Meat aufgrund der rückläufigen Nachfrage nach pflanzlichen Fleischersatzprodukten an der Börse ein, für Frankreich prognostiziert das wirtschaftswissenschaftliche Institut Xerfi in Paris einen Rückgang des 2022 noch ansteigenden vegetarischen und veganen Lebensmittelmarktes für die Folgejahre. Gründe: Konservativismus der Verbraucher, Misstrauen gegenüber Labor-Lebensmitteln der Industrie, hohe Preise. Der Anteil der Anhänger einer fleischlosen Ernährung (Vegetarier, Veganer, Pescetarier) bleibe bei 2 % der Bevölkerung – und der Markt für pflanzliche Proteinersatzstoffe bloß eine Modeerscheinung.
Champagner und andere Schaumweine werden nicht prickelnder, wenn man sie in einen Cocktail gibt.
Tejal Rao, kalifornische Restaurantkritikerin der New York Times, in ihrer traditionellen Jahresbilanz der prägendsten Eindrücke: „Algen passen zu allem! Strategie ist das A und O bei Backblech-Gerichten. Manches Gemüse ist köstlicher, wenn man es ewig kocht.“ Zum Gemüse merkt sie an: „Wenn Sie mir nicht vertrauen, vertrauen Sie Alice Waters (Chez Panisse in Berkeley), die Brokkoli gut eine Stunde köchelt, Nigella Lawson (BBC-Köchin), die Erbsen 4 bis 6 Stunden lang slow-cooked, oder Samin Nosrat (Kochbuchautorin in San Diego), die ihre Romano Bohnen etwa 2 Stunden dämpft. Immer noch skeptisch? Dann zitiere ich Clare de Boer, Köchin bei King in New York, die sagte, wenn man einigen Zutaten nur etwas mehr Zeit gibt, wenn man das Kochen nicht überstürzt, können sie eine tiefere Version ihrer selbst werden.“
Die Frankfurter Allgemeine, die sich auch in ihrem Online-Auftritt „Qualitätsjournalismus“ einbildet, der „rund um die Uhr schnell, fundiert und verlässlich über die wichtigsten Ereignisse des Tages auf dem Laufenden hält“, stellte am 2. Weihnachtstag unter dem Hauptartikel „Droht in Bosnien ein neuer Krieg“ zwischen die „Aufhebung von Corona-Regeln“ und „Die Krise in Osteuropa“ den Beitrag „Das neue alte ‚Tantris‘: Münchner Geschichte – Aktualisiert am 26.12.2021 um 19:17“. Der Text über die Wiedereröffnung des Restaurants im Oktober entsprach wortwörtlich einem bereits im November im FAZ-Magazin veröffentlichten Artikel – inklusive Tippfehler und Unstimmigkeiten (die wohl darauf beruhen, dass der Autor alles zu glauben scheint, was ihm Köche und Gastronomen über sich erzählen).
„Iss jede Mahlzeit, als wäre es die letzte, denn wenn die letzte kommt, wirst du wahrscheinlich keinen Hunger mehr haben.“ (Nora Ephron, Drehbuchautorin und Filmregisseurin in Hollywood)
Folge 28
Gusto steht im allgemeinen deutschen Sprachverständnis für Vorliebe oder Neigung und bei dem Landsberger Journalisten Markus J. Oberhäußer für eine sehr subjektive Interpretation der zeitnahen Berichterstattung. Schaut man in in die Online-Version seines Restaurantführers, der laut Eigenwerbung „immer aktuell!“ ist, findet man flott ein Dutzend seit über einem Jahr nicht mehr getestete Lokale. So wurden z.B. das Maître in Köln, das Luce d’oro in Elmau, das EssZimmer in München, die Villa Patrizia in Duisburg, Tim Raue in Berlin oder die Überfahrt in Rottach-Egern zuletzt zwischen Februar und August 2020 besucht. Ganz in Oberhäußers Aktualitätsverständnis schreibt sein Verlag, ZS in München, zur letzten September erschienenen Ausgabe 2021|2022: Die Restaurants „werden jedes Jahr neu … getestet und ausführlich beschrieben“. (En passant: wie ausführlich richtet sich danach, ob das Restaurant für den Test bezahlt oder nicht.)
Als Lesbian Feta bietet das vegetarische Rainbow-Geschäft in San Francisco seinen griechischen Schafskäse an. Erstens weil er von der Insel Lesbos kommt, zweitens um Aufmerksamkeit zu erregen – was bislang über die Lokalpresse bis zur Londoner Times gelang.
In der von Sky Atlantic ausgestrahlten Reiche-Leute-Soap Succession erschreckt die verwöhnte Tochter des Hauses nach einem Schluck biodynamischen Spätburgunders, weil er „germanisch“ schmecke. Ihr Mann empfindet den wie einen Naturwein dargestellten Roten aus einer Schraubverschlussflasche als Einstimmung auf eine ihm drohende Gefängnishaft und als „ziemlich, äh, landwirtschaftlich“.
Folge 28
Was würde ein Gast sagen, der die Rettung des Planeten per veganer Küche noch nicht verinnerlicht hat, wenn ihm ein Restaurant anbietet: Wir haben wunderbare Rote Bete aus Rindfleischzellen?
In typisch französischem Pragmatismus setzt Lyon seinen ökologisch begründeten Erlass vom 19. November durch, dass Terrassen – also auch die von Restaurants und Cafés – nicht mehr beheizt werden dürfen: Er gilt ab 31. März 2022…
„Als fortschrittlicher und abwechslungsreicher Staat ist Kalifornien ein Spitzenreiseziel für LGBT-Reisende“, wirbt die staatliche Tourismusförderung Visit California. Die Reisenden können u.a. bestaunen, wie sehr dort Unternehmen mit öffentlich vertretenen Anti-LGBTQ-Überzeugungen reüssieren. Derzeit nach der Fast-Food-Kette Chick-fil-A und der Burger-Kette In-N-Out der Schweizer Chocolatier Läderach, der kräftig expandiert. Dass Vater Jürg und Sohn Johannes Läderach führend im evangelikalen Christentum for Today sind, das gegen Abtreibung und gleichgeschlechtliche Ehe kämpft, stört anders als in der Schweiz im liberalen Kalifornien nicht.
Schlemmer Atlas und Rolling Pin tun sich leicht, die 50 besten Sommeliers in Deutschland zu küren. Schwer wird’s, 50 gute zu nennen.
„Berater und Önologen sind wie Parasiten“, fand der jüngst verstorbene Architekt Eloi Dürrbach, 71, der als Autodidakt seinen Trévallon (Provence) nach der sechsten Lese 1982 zu 100 Parker-Punkten brachte. Seinen Erfolg bei Weinen hielt er für „biblisch einfach: Ich lasse sie gären, ich kontrolliere sehr wenig. Ich bin kein Industrieller, sondern ein Handwerker. Ich habe im Mai 68 in Paris gelernt, keine Kompromisse einzugehen.“
Folge 27
Dem Burger wollten schon viele die Fastfood-Krone streitig machen: Sandwich, Jambon beurre (Baguette mit Kochschinken), Döner Kebab, Tacos… Nun startet das Bánh Mì einen weiteren Angriff. Le Monde ist hoffnungsvoll: „Das halbierte Baguette mit gekochten Fleischstücken, garniert mit rohem Gemüse und Gewürzen, bestreut mit frischem Koriander, erzählt mit jedem Bissen den Reichtum und den Charakter der vietnamesischen Küche.“ Und die ist ja von LA bis London, Melbourne bis München beliebt.
Russisches Roulette im Restaurant? Einen grünen Salat bestellen.
Feinschmecker und Frankfurter Allgemeine „staunen, was es alles Neues in Manhattan gibt“ (FAZ) und arbeiteten für ihre Leser, die seit 8. November wieder in die USA fliegen dürfen, brav die Neuigkeiten in der New Yorker Gastronomie seit Ende des Lockdowns ab. Die spektakulärste lässt der Autor beider Artikel weg: die rein vegane Küche des Dreisternekochs Daniel Humm. Aus Abneigung?
Folge 26
Ladurée in Paris, laut France Tourisme „der berühmteste Spezialist für Macarons in Frankreich“ und nach seinem Selbstverständnis „ultimatives französisches Haus für Macarons“, lässt seine „Définition de l’art de vivre à la française“ in einer Fabrik im Schweizer Dorf Enney produzieren – und erfreut sich dort mitten im Gruyère-Käse einer zehnjährigen Steuerbefreiung als willkommener Arbeitgeber.
Adieu Avocado? Das von Hollywood, Veganern und Wartezimmerzeitschriften zum „besten Superfood aller Zeiten“ (Instyle) gehypte, aber wegen des Wasserbedarfs von 70 bis 320 Litern pro Frucht höchst umstrittene Lifestyle-Produkt beflügelt die Kreativität von Londoner Köchen. Unter Berufung auf die verheerenden Umweltauswirkungen beim Anbau bieten sie beispielsweise statt der Avocado-geprägten Guacamole Dips aus Favabohnen, grünem Chili, Limette und Koriander oder Pistazien, Pinienöl, Gurkensaft und fermentierten Stachelbeeren. Das inspirierte auf Instagram zum Rezept mit gefrorenen Erbsen und zum Hashtag #noavocado.
Antworten von US-Innenarchitekten auf die Frage „Wie konzipieren Sie ein neues Restaurant?“ Roman and Williams in New York: der Vergangenheit zuzunicken und den Luxus der Gegenwart umarmen. Nina Magon Studio in Houston: Einzigartigkeit ist jetzt ein Trend. Unvergleichlich und unverwechselbar zu sein ist nötig, um am Leben zu bleiben und geschätzt zu werden. Montalba Architects in Santa Monica (und Lausanne): ein luftiges Gefühl schaffen, das Innen- und Außenräume zu einem einzigen, fließenden Erlebnis verbindet und das so viel natürliches Licht, Luft und Ausblicke ins Innere dringt wie möglich. AvroKO, New York: narratives Design durch vielschichtige Erzählungen, die ein Gefühl für den Ort oder kulinarische Tradition vermitteln, und ein Gefühl für das Einzigartige – etwas, das nicht reproduziert werden kann. Bells + Whistles in Los Angeles: Wichtig ist, das Design des Restaurants mit der Vision des Küchenchefs für das Essen zu verbinden, einschließlich der Speisekarte, der Ästhetik des Raums, des Brandings und aller Berührungspunkte, die der Gast hat.
Was macht eigentlich Ex-Küchenchef Guillaume Gomez als Präsident Macrons Sonderbeauftragter für Gastronomie, Lebensmittel und Kochkunst? Als ihn Le Figaro um seine Lieblingsrezepte für die Rubrik Sonntagsessen bittet, leitet er die mit einem Appell an die Leser ein: Priorisieren Sie beim Einkaufen französische Produkte, kehren Sie zurück in die Restaurants, kaufen Sie gesündere Lebensmittel (dazu der Hinweis: Schlechte Ernährung kostet die Franzosen 30 Milliarden pro Jahr).
Folge 25
Früher konnte man in Sternerestaurants gastfreundlichen Komfort erwarten, heute muss man kulinarischen Inconfort fürchten: Die Selbstverwirklichung der Köche gebietet nur ein festes Menü, verkünstelte Gerichte, technisierte Zubereitung.
Um als großartiger Koch zu gelten, reicht bei Gästen die außergewöhnliche Küche. Für die Medien sind zusätzliche Fähigkeiten erforderlich: „Networking, Fotos mit Promis, dickes Adressbuch, Werbepartner von Marken, kurz gesagt, das Talent für Geschäfte, Glitzer und Geld“ (der Pariser Gastrokritiker François-Régis Gaudry).
In Deutschland bieten selbst die Zeitungen, die sich für die wichtigsten halten, den schalen Geschmack, dass jeder Redakteur, der täglich isst und trinkt, bei ihnen übers Essen und Trinken schreiben darf. Anders der San Francisco Chronicle: Er sucht per Stellenausschreibung je einen zweiten professionellen Restaurantkritiker und Weinautor.
Folge 24
Was gibt’s Neues in Lyon, das sich als „Welthauptstadt der Gastronomie“ sieht? Das 2008 eröffnete Bocuse-Bistro Ouest Express wird ein McDonald’s – das 32. im „Epizentrum der kulinarischen Exzellenz“ (Präsident Macron). Dagegen protestiert eine Bürgerinitiative.
Michael Mina, der in USA 40 Restaurants führt (u.a. 2 mit Partner Andre Agassi in Las Vegas) erarbeitet für das 5000m² große, neue Restaurant Mother Tongue im Hollywood-Fitnessclub Heimat, das Veggie-Klientel erwartet, aber auch Edelburger bietet, eine Speisekarte, aus der sich auch Gäste ein Menü zusammenstellen können, die komplett auf Kohlehydrate, Gluten oder technisch verarbeitete Lebensmittel verzichten. Der 5stöckige Club gehört der deutschen RSG Group, die global rund 900 Studios betreibt (u.a. McFit, High5 Gym, John Reed Fitness).
Beyond Meat, Impossible Burger und andere Weltverbesserer stilisieren sich mit ihren pflanzenbasierten Fleischimitaten als Retter des Planeten. Doch aus den grünen Wachen über Nachhaltigkeit und Ökologie erklingen Zweifel: Die Menge der Treibhausgasemissionen aus ihren Betrieben, Lieferketten oder Produktionsabfällen würden nicht hinreichend offengelegt, auch nicht die Auswirkungen ihrer Aktivitäten auf die Wälder (die für Soja-Anbau draufgehen) oder ihr Wasserverbrauch. Lange dürften die Medien das nicht mehr ignorieren.
Jay Rayner, schärfste Zunge der englischen Restaurantkritik, traut sich was: „Man kann in London besser französisch essen als in Paris, besser italienisch als in Rom und besser spanisch als in Barcelona,“ schrieb er am 14. Oktober im Guardian und riet seinen Londoner Lesern, statt zu verreisen lieber Abendessen zu gehen. Wer das nicht für britischen Humor hält, probiere seine Lieblingslokale: Maison François, Brasserie Zédel, Otto’s, Pique Nique, L’Escargot, Mon Plaisir; Bocca di Lupo, Sartoria, Locanda Locatelli, Padella, Theo Randall; Barrafina, Sabor, José Pizarro.
Die Franzosen aßen von Januar bis September mehr Mozzarella als Camembert. Das war abzusehen: Seit Jahren sinkt der Camembert-Absatz kontinuierlich um 3 % p.a. und steigt der Mozzarella-Verkauf um 5%.
Folge 23
Trotz aller ökologischen, gesundheitlichen und veganen Bedenken: Die Amerikaner aßen 2020 daheim und im Restaurant 24 % mehr Rindfleisch als im Jahr zuvor. Das erklärten stadtbekannte Köche in einer Umfrage des San Francisco Chronicle so: Das Steak vom Rind stehe für amerikanische Lebensart, Wertschätzung bei Tisch und Selbstbelohnung für Geleistetes. Folglich wird es auch im hochpreisigen Degustationsmenü erwartet – als das „Nightbird“ in San Francisco jüngst in sein 185-$-Menü mal Mangalitza-Schweinefleisch aus Eichelmast einwechselte, bekam es die schlechtesten Gästebewertungen, die es je hatte.
In allen Völkern gilt das Essen mit anderen als Norm. Diese Tradition leidet nicht erst seit Homeoffice, sondern schon länger durch sinkende Heirats- und Geburten- sowie steigende Scheidungsrate, den Arbeitsalltag und das Älterwerden. Wie sehr, erhellen z.B. britische Zahlen: Fast ein Drittel der Erwachsenen isst „meist oder immer allein“ und Open table registrierte von 2015 bis 2019 einen Anstieg der Restaurantreservierung für eine Person um 160 %.
Wir Köche sind in der Rechnung nicht inbegriffen. Sagen die, die selten in ihren Küchen und Restaurants sind.
Für die Liebhaber des Bling-Bling-Luxus auf dem Teller erweiterte das „Serendipity 3“ in Manhattan sein Angebot an Gerichten zum Guinness-Weltrekordpreis nach Dessert (Eisbecher goldene Opulenz für 1000 $), Hamburger (295) und Sandwich (214 $) um „Crème de la Crème Pommes Frites“: Chipperbec-Kartoffeln werden in Dom Pérignon blanchiert, im Fett von käfigfrei aufgezogen Gänsen dreifach frittiert, auf Baccarat-Kristall angerichtet, mit getrüffeltem Sel gris aus Guérande und schwarzen Umbrien-Trüffeln bestreut sowie durch 23 karätigen essbaren Goldstaub berieselt und mit Sauce Mornay serviert. Sie kosten in dem 1954 eröffneten, von Marilyn Monroe und Andy Warhol bekanntgemachten Mix aus Kitsch, Dekadenz und Promi-Faktor 200 $.
Folge 22
Wie erklärt man sich den dritten Stern fürs Noma? Mit der Einschätzung des Pariser Gastrokritikers François-Régis Gaudry (France Inter, Paris Première): „Der Guide ist eine alte Dame mit Rollator, die versucht, der Zeit hinterherzulaufen.“
Womit können Köche ihre Teller noch aufwerten? Blumen! Diese Anregung gibt aus der „Industrie der Emotionen“, wie sich das Schweizer Unternehmen Givaudan als weltweit größter Hersteller von Aromen und Duftstoffen etikettiert, deren Senior Flavorist Cheryl Udzielak. Blumen wirken, sagt die Chemie und Psychologie mixende Aromatikerin, aufhellend und aufmunternd wie Kräuter und können darüber hinaus etwas Traditionelles „adeln“. Das Problem dabei: Die Süße der blumigen Note erlaube kaum Spielraum für Fehler.
Der Service der nahen Zukunft? In der Alltagsgastronomie sinkt er durch Personalmangel und Personalkosten auf Familienbetrieb oder runter auf Tankstellenniveau, in den verbleibenden Luxusrestaurants wird eine heile Welt inszeniert, die zu Preisen wie in der First Class betreut.
Dernier cri asiatischer Teekultur: Desserts. Der Singapurer Yen Seng Lim, der als Koch im Andre arbeitete und bei einem chinesischen Teemeister lernte, und seine taiwanesische Frau Katia Kann, Pâtissière bei Andre und im Atelier Robuchon, kombinieren in ihrem neueröffneten One Tree Hill in Taipeh asiatischen Tee und französische Douceurs zu Desserts, die man aus Tumblern löffelt oder trinkt, z.B. Chante aus chinesischem Tie Guan Yin (Oolong-Tee), Crème Chantilly, Beerenespuma und Mangosorbet.
Folge 21
Vom CO₂-Fußabdruck einer Flasche Wein machen deren Herstellung, Lieferung zum Weingut und Vertrieb zum Kunden (je nach Entfernungen) 39 bis 68 % aus. Das weiß man seit über einem Jahrzehnt. Doch der Einsatz von Flexitanks beim Transport und Mehrwegflaschen im Verkauf kommt nicht über Pinot Grigio, Beaujolais & Cie. hinaus und die Bemühungen um Flaschen aus recyceltem Kunststoff oder biologisch abbaubaren Pflanzenmaterialien faszinieren weder Bordeaux noch Piemont oder Mosel.
Folgen der Pandemie: In die Serviette eingerolltes, statt neben dem Teller eingedecktes Besteck nimmt zu. Abends wird vielfach früher gegessen, Tische auf Parkstreifen und -plätzen dürfen das Terrassengeschäft erweitern. Und: Beim sprunghaft gestiegenen Fast Food nahm die Beliebtheit des Hühnchen-Sandwichs dermaßen zu, dass es dem Burger Konkurrenz machen könnte.
Auch Köche, die sich mit dem Zeitgeist vermählen, müssen damit rechnen, bald Witwer zu werden.
Da der ernährungsbewusste Münchner Wiesn-Stadtrat vegane Burger auf dem Oktoberfest fördern will, könnte er sich auch noch mit Bier aus unverkauftem Sauerteigbrot profilieren. Anregung als nachhaltiger Resteverwerter findet er unter www.couinecochon.fr
Folge 20
„Anfang dieses Jahrhunderts wurde die herausragende und uralte Überlegenheit der französischen Küche von zwei Geißeln bedroht: dem Snobismus einer anonymen kosmopolitischen Küche, die alle Luxushotels und Karawansereien des Universums durchdrang, und dem überholten Geschmack dieser komplizierten, übermäßig aufwendigen Küche, die gerne Geschmack und Aromen verschleiert und unter bizarren und prätentiösen Namen Gerichte präsentiert, in denen sich Chemie mit Trickserei vermischt.“ Das monierte 1928 (!) in Paris Curnonsky alias Maurice-Edmond Sailland, Begründer der Restaurantkritik.
„Wurst ist eine Götterspeise. Denn nur Gott weiß, was drin ist.“ (Schriftsteller Jean Paul, 1763–1825)
„Ich bin sehr vorsichtig geworden, was Fisch angeht. Wenn man sich anschaut, wie die Nanopartikel im Atlantik zugenommen haben und die Tiere sie im Fleisch haben, wie selbst Fische der Ostsee Düngemittel in sich tragen, da muss ich sagen: Das will ich nicht auch noch zu mir nehmen. Wenn Fisch, dann esse ich nur noch Binnenfische. (Dr. med. Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt, Bayern- und DFB-Doc aD)
Folge 19
Die Aktivisten, die in den 1990er Jahren vehemente Einwände gegen gentechnisch veränderte Organismen erhoben, handelten aus Misstrauen gegen die großen Agrarkonzerne. Doch genau dieses halbe Dutzend Unternehmen auf der Welt kann die Gentechnik nutzen, weil es das ganze regulatorische Procedere durchhält.
Kaffeetrinken löste schon immer Besorgnis aus. Im 16. Jahrhundert fürchtete der Scherif von Mekka, es würde seine Bürger ermutigen, ihn zu stürzen. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts kanzelte Papst Clemens VIII. das „Teufelsgetränk“ ab; 1674 protestierten Frauen in London gegen Kaffeehäuser, weil ihre Ehemänner dort impotent würden. Im 18. Jahrhundert ließ Johann Sebastian Bach in seiner „Kaffee-Kantate“ einen Vater über die Kaffeesucht seiner Tochter klagen und ersann Obrigkeit in deutschen Landen ein Kaffeeverbot, damit weniger Geld ins Ausland fließt. Im 19 Jahrhundert brandmarkten Sozialreformer den Kaffee als Sättigungsvortäuscher: „Er hilft den Leuten hungern“.
Vor 20 Jahren färbten Winzer ihre Roten nach der Kundenmode „Je dunkler, desto besser“, heute kann der Instagram-Klientel der gehypte Rosé nicht hell genug sein.
Folge 18
Anfang vom Ende des gedruckten Michelin? Nur noch als digitale Version erscheint am 21. Februar 2022 die nächste Belgien-Ausgabe, präsentiert im Théâtre Royal von Mons. Nach diesem Entscheid der Guides-Direktion gilt in Paris als ausgemacht, dass danach auch die Sterne anderer Länder auf Papier passé sind.
290 Milliarden $ entgangene Einnahmen zwischen März letzten und April dieses Jahres, 14 % nach Ende des Lockdowns nicht wieder eröffnete Restaurants und 1,5 Millionen nicht zurückgekehrte Mitarbeiter beklagte die US-Gastronomie auf einer Branchendiskussion in New York. Den entsprechenden Optimismus zum Neustart verbreitete Teilnehmer Tom Colicchio, einer der bekanntesten und meistgeehrten Köche Amerikas: „Sie werden wahrscheinlich eine der interessantesten, faszinierendsten und kreativsten Zeiten in der Geschichte der Gastronomie erleben.“
Wer Vanilleeis mag und nur deutsche Eisdielen kennt, sollte es in der ersten Manufacture de Glace von Alain Ducasse in Paris probieren. Es mixt dreierlei Vanille: die Pfeffernote aus Mexiko mit der Süße von Tahiti und der Blütenfinesse der Pompona aus Madagaskar. (38, rue de la Roquette, nahe der Bastille, 2 Kugeln für 6,50 €.)
Folge 17
Schön war die Zeit, als Küche nicht ins Gewissen reden und keine Heilsbotschaft servieren wollte, sondern Genuss. Als Köche nicht fragten, was kann ich hinzufügen (und dadurch bloß beliebig wirken), sondern was kann ich weglassen, um aufs Wesentliche zu kommen. Als Küchenchefs noch für Gäste kochten und nicht fürs Ego und Instagram.
Leute, die etwas bewegen, polarisieren immer – früher Gault und Millau mit der Nouvelle cuisine, heute Foodindustrie und Green Lifestyle mit der veganen Laborküche.
Wer bis ans Lebensende am liebsten isst, was ihm als Kind gut schmeckte, ist auch sonst nicht offen für Neues.
Folge 16
Regional ist eine Herkunftsbezeichnung und kein Qualitätsmerkmal. Im Eifer der Regionalität verklärt sich da manchmal etwas die Perspektive. Den munteren Automatismus, dass alles Regionale automatisch das Allerbeste ist, kann ich nicht bestätigen (Eckart Witzigmann)
Lieber Porsche Turbo als pochierten Turbot.
Da das junge Japan (seit 40 Jahren) weniger Sake trinkt, muss dessen Werbung im Rest der Welt den Mund immer voller nehmen: „Die perfekte Begleitung zu jeder guten Speise ist Premium-Sake aus Japan.“ Wer’s glaubt, schmeckt schnell: Je hochwertiger, desto unperfekter als Partner fürs Pikante.
Folge 15
Zu den besonders in Berlin gefeierten Prinzipien der Nordic Cuisine, alles Essbare tunlichst aus Gärten der Nachbarschaft zu holen sowie in Wald und Flur der Umgebung zu sammeln und für den Winter zu bevorraten, meint der Pariser Küchenstar Yannick Alléno in launiger Runde: Das haben die französischen Köche vor 500 Jahren auch gemacht – und sich dann weiterentwickelt.
„Dahinter steckt immer ein kluger Kopf“ wirbt die FAZ seit 1960 und zeigt in ihren Essecken Jürgen Dollase und Jakob Strobel y Serra. Zwischen deren Kolumnen darf offenbar jede und jeder in der Redaktion die übrigbleibenden Krümel auflesen und auftischen. So auch der „Koordinator für Premium-Inhalte bei FAZ.NET.“, der eine nirgends hervorgetretene „italienische Spitzenköchin“ zum Pastakochen interviewt (und das im Umfang alla Corona-Notbremse, Laschet/Söder oder Flick/FC Bayern). Man muss schon ein sehr kluger Kopf sein, um diese Vorliebe und Rezeptur für Spaghetti Cacio e Pepe würdigen zu können: „Na, weil sie einfach ist und super lecker. Weil ich Käse liebe und weil ich Pfeffer liebe. Ich mische fünf, sechs Sorten Pfeffer, der eine etwas schärfer, der andere etwas cremiger. Wenn ich die Pasta zubereite, schmelze ich immer ein Stückchen Butter in der Pfanne, durch die ich die Pasta schwenke, und füge Salbei hinzu. Und dann nehme ich meistens einen Pecorino Romano und einen Parmesan, etwas Szechuanpfeffer, etwas Piment, zwei, drei Sorten Pfeffer, die ich mit dem Mörser zerstoße und dann vermische und dazugebe.“
Das wirklich Schlimme am Lockdown: Man bekommt in einer Welt, die täglich ein wenig mehr ins Uniforme, Banale und Schnöde verfällt, nur noch alles Nötige zu essen, sehen und hören, aber nichts Überflüssiges.
Folge 14
Ich esse Fleisch nur noch zu ganz besonderen Anlässen. (Veganes Bekenntnis des keine Mode auslassenden Johann Lafer zum TV-Event Das große SWR3 Grillen mit Johann Lafer)
Die technisch-konzeptionelle Suche ist die Spitze der kreativen Pyramide. (Ferran Adria)
Ein großer Wein? Er ist einfach groß. Das spürt man. Er spricht alle Sinne an und füllt sie aus mit all seiner Komplexität. Er macht irgendwie süchtig. (Robert Parker)
Das Gourmetrestaurant hat ein Stück heiler Welt zu sein, die wir brauchen und nach der wir uns sehnen. (Hermann Bareiss)
Folge 13
Die deutsche Geiz ist geil-Mentalität schreckte mich ab. Die Schweizer sind beim Essen viel offener und auch bereit, für gute Küche Geld auszugeben. (Der Allgäuer Markus Stöckle auf die Frage, warum er sich nach seiner Zeit bei Heston Blumenthal nicht in München, sondern Zürich selbstständig machte, wo er mit seinem „Rosi“ einen Senkrechtstart schaffte)
Wie viele Köche tischen Vegetarisches nicht aus modischen Gründen auf, sondern erheben es auf Haute-Cuisine-Niveau?
Auf die Frage, was einen guten Winzer charakterisiere, antwortete Nicolas Joly, der Besitzer von La Coulée de Serrant: „Er sollte sich als Assistent der Natur verstehen.“
Wer nur Wasser trinkt, hat etwas zu verbergen (Charles Baudelaire)
Connaisseurs reklamieren, wenn Kaviar säuerlich schmeckt. Andere, wenn die Zitrone fehlt.
Folge 12
Die Deutschen bekamen ein Wirtschaftswunder zustande, hatten aber keinen Mut, gut zu essen und zu leben. Sie haben viel Geld auf dem Konto, weil sie nie an bessere Zeiten denken, immer nur an schlechtere. (Henri François-Poncet)
Beim Bordeaux bedenkt, beim Burgunder bespricht, beim Champagner begeht man sie: Torheiten. (Jean Anthelme Brillat-Savarin)
Frauen haben eine bessere, eine feinere Sensorik. Sie haben zwar meist nicht die Erfahrung, aber sie haben die klareren Instinkte. (Robert M. Parker)
Beim Essen ist Musik ein guter Prüfstein, denn ist das Essen gut, so hört man die Musik nicht. (Christian Dietrich Grabbe)
Folge 11
Was einer isst, ist ein Statement: für das Tierwohl, für das Klima, für die Gesundheit und für die Schönheit. Der Genuss kommt an letzter Stelle – schmeckt die Frankfurter Allgemeine in ihrem Wirtschaftsteil ab.
Fugu bleibt teuer (gut 100 € das Pfund auf dem Markt in Tokio), verliert aber an Verklärung zur tödlichen Delikatesse. Heutzutage sterben keine Restaurantgäste mehr, sondern japanische Angler, die daheim unprofessionell zubereiten. Dank Zucht in Unterwasserkäfigen und Fischtanks an Land ist das Angebot so groß, dass sich Gäste in Kettenrestaurants ihren Fugu aus dem hauseigenen Aquarium holen können. Dass die noch giftig sein sollen, scheint mehr Marketing als Risiko.
Auf ihren Tellern bieten Köche vergängliche Kunst. Und was drücken sie durch ihre Tattoos aus, mit denen sie sich nach den See- und Zirkusleuten, Häftlingen und Rockern hervortun? Sehnsucht nach Unvergänglichem?
In den 250 meistgesehenen Hollywoodfilmen zwischen 1994 und 2018 übertrafen bei den konsumierten Lebensmitteln und Getränken 229 den gesundheitlich empfohlen Grenzwert für Zuckergehalt, 228 den für Fett. Noch erstaunlicher: Im Laufe der Jahrzehnte wurde bei allem amerikanischen Ernährungseifer im Kino nichts besser.
Folge 10
Die seit Jahren anhaltenden Beteuerungen der Deutschen, sich besser und gesünder ernähren und deshalb vermehrt Bio-Produkte kaufen zu wollen, gleichen ihren guten Vorsätzen zum Neuen Jahr – kaum einer hält sie ein. Der Bio-Anteil beim Schwein beträgt 1,4%, beim Geflügel 1,8 und beim Rind 4,4%.
Vom Adventskalender bis zum Handmuskeltrainer, vom Dachgepäckträger bis zur Anwaltssoftware hat heutzutage alles Premium-Güte. Nicht zu vergessen Premium Kasseler und Sauerkraut, Warsteiner Premium Bier oder Premium Prosecco, schon gar nicht Premium Haggis, die 5 Sterne premiumplus Küchen oder Thai Select Premium. Und wenn CMO.com meint, „traditionell, glaubwürdig, verlässlich, journalistisch integer und qualitativ hochwertig sind nur einige von den Attributen, die einem spontan in den Sinn kommen, wenn wir über Premium-Medien reden“, dann kommt sicher gleich diese website: „BurdaHome, der Printmarktführer im Food-Segment, initiiert mit First in Food Deutschlands Premium Food-Network“…
Ich sage nicht, dass man gar kein Fleisch mehr essen soll. Aber weniger Fleisch ist gut für die Gesundheit und für den Planeten. Und ich bringe nichts mehr auf den Tisch, das aus dem Flugzeug kommt. Das sehe ich als meine politische Verantwortung. (Alain Ducasse)
Folge 9
Nur selten machen Küche, Service und Ambiente den Erfolg eines Restaurants aus. Es muss noch etwas hinzukommen: Zeitgeistiges wie das Networking für die Platzierung in Hitlisten oder Undefinierbares wie eine Seele. Fehlt sie, kann kaum jemand sagen, was genau er vermisst. Denn das gewisse Etwas ist ja auch sonst im Leben schwer fassbar – am wenigsten von Controllern und BWLern.
Trüffel ist der Mozart der Pilze.
Ein guter Koch beherrscht sein Handwerk perfekt. Der sehr gute ist auch noch phantasievoll, der hervorragende Koch darüber hinaus so intelligent, nicht mit unsinnigen Kombinationen, Beilagen und Präsentationen beeindrucken zu wollen oder Kollegen zu kopieren. PR und profane Medien achten den Sternekoch; wer keinen hat, ist Star- oder Spitzenkoch.
Für viele Gerichte der (aus Skandinavien importierten) neuen deutschen Regionalität wäre ein Verzicht auf Wein die beste Empfehlung des Sommeliers.
Folge 8
So wie Auto Tune die Unterhaltungsmusik und Save the Cat! die Film- und Fernsehdrehbücher gleichförmig werden ließ, banalisiert Instagram die Kochkunst. Apartes Aussehen statt gutem Geschmack.
Gut Essen und Trinken ist der Sex des Alters, aber man kann gar nicht früh genug damit anfangen.
Köche tragen kostspielige Uhren und fahren teure Autos, weil ihnen kaum Zeit zum Geldausgeben bleibt.
Reklamieren Sie ruhig. Je ruhiger desto erfolgreicher.
Folge 7
Je satter man sich bei einem Menü fühlt, desto unterschiedlicher muss der nächste Gang schmecken. Gegen das Völlegefühl ist der Wechsel von salzig zu süß am wirksamsten. Daher das süße Dessert am Schluss des Mahls. (Barbara Rolls, Professorin für Ernährungswissenschaften an der Pennsylvania State University)
Essen nimmt, Trinken gibt Enthusiasmus. (Jean Paul)
Die deutsche Küche war noch nie so innovativ, dass von ihr etwas Neues ausgegangen wäre. Auch unsere besten Köche greifen nur Dinge auf. (Wolfram Siebeck)
Das, was die Liebe für das Herz ist, ist der Appetit für den Magen. Der Magen ist der Dirigent, der das große Orchester unserer Leidenschaften leitet. (Gioachino Rossini)
Folge 6
Der Name ist Schall und Rauch für den Erfolg eines Restaurants. Um den eigenen Namen darüber zu setzen, bedarf es einer Kombination aus Mut, Selbstvertrauen und Eitelkeit.
Käsedesserts wurden erfunden, weil die Köche nicht mehr 2/3 vom Käsewagen wegwerfen wollten.
Manche Gäste gehen ins gelobte Lokal, um sich ihre Belohnung für den Tag abzuholen.
Große Küche zu genießen ist eine redliche Form, die Schöpfung ernst zu nehmen.
Folge 5
Der zufriedene Gast berichtet durchschnittlich drei anderen Menschen von seinem Restaurantbesuch, der verärgerte informiert bis zu zehn über seinen Verdruss.
Köche, die sich nichts trauen, haben kleine Restaurants.
Schwarz und weiß sind die meist getragenen Farben im Service, obwohl sie körperliche Nachteile am stärksten betonen.
Den Erfolg, den manche Restaurants in ihrer PR für sich reklamieren, kann man sich nur so erklären: Jeder Gast, der einmal da war, wird zum Stammgast, jeder Prominente zum Gourmet erhoben.
Folge 4
Wenn sich Gäste über die Stühle im Restaurant beschweren, sind ihnen Küche, Service oder Tischgespräch unbehaglich.
Beim Raviolimachen denken deutsche Köche an Baumwollnachthemden statt an Negligés.
Seit der Wende 1989 steht Osietra-Kaviar meist als Ossietra auf den Karten.
Je unsicherer der Sommelier, desto redseliger.
Folge 3
Schwarze Trüffel aus allen möglichen Weltgegenden, die gern als Périgord-Truffes untergejubelt werden, fallen auf kalten Gerichten weniger enttäuschend aus als auf warmen Speisen. Schwacher Kaviar lässt sich besser in warmen Speisen loswerden.
Je vollmundiger die Homepage ein Rendezvous der Sinne verheißt, desto gewisser ist ein Stelldichein der Banalitäten.
Die Frauenquote der Gäste verändert auch ein Restaurant: Zu viele schmälern den Umsatz des Gastronomen ebenso wie zu wenige. Einerseits konsumieren Frauen weniger als Männer, andererseits animieren sie Männer zu mehr Konsum. Am wirtschaftlichsten ist eine Frauenquote von einem Drittel.
Folge 2
Jeder Hoteldirektor, der gern gut isst, bietet auch eine Gourmetküche. Da die Direktoren aber nach anderen Kriterien ausgewählt werden, dienen die meisten Hotelrestaurants nur der Nahrungsaufnahme.
Je beeindruckender die Vorspeisen und Zwischengerichte eines Restaurants sind, desto mehr wird der Hauptgang abfallen. Das Fleisch ist schwach beim Inspirieren von Köchen.
Die Aromenfülle eines Gerichts erschließt sich am besten, wenn man es mit dem Saucen- oder Suppenlöffel essen kann.
Je mehr Paare mit großem Altersunterschied in einem Restaurant sitzen, desto weniger kommt es beim Ruf des Hauses auf die Küche an.
Steak ist von blutig über medium bis well done zu haben. Warum fragt der Service nie: Wie möchten Sie Ihren Fisch: noch leicht roh, glasig oder etwas weiter?
Für halbe Flaschen ist das Leben zu kurz.
Folge 1
Wenn der Star einer Oper indisponiert ist, tritt der Intendant vors Publikum und bittet um Entschuldigung. Fällt der Küchenchef aus, werden die Gäste nicht informiert, weil der Gastronom meint, das merke niemand.
Je teurer eine Wohngegend, desto weiter entfernt das nächste Gourmetrestaurant.
Lauwarme Butter killt jeden Wein, zu Tomate passen nur ganz wenige Weine.
In deutschen Konzernen werden Vorstände oft als profillose Industrieschauspieler empfunden, die nur Bonus verstehen. An Herden agieren viele ideenlose Küchenschauspieler, die nur Trend darstellen.
Wer im Service erfolgreich sein will, muss ein uraltes Geschäftsprinzip umkehren: Wer zuerst lacht, lacht am besten.
Eine gute Suppe schmeckt aus großem Löffel besser als aus kleinem, Champagner in mehreren Schlucken besser als genippt.
Als appetitanregendste Farben für Wände und Decken in Restaurants ermittelten Psychologen zartes Braun und rötliches Ocker. Auch die alten Holztäfelungen sind noch immer sehr förderlich. Vor grauen Wänden kommen Damen nach zwei Stunden ins Alter ihrer Mütter.