„Covid-19 wird die Gastronomie auf eine Form der raffinierten Einfachheit konzentrieren, die vom gesunden Menschenverstand getragen wird,“ erwartet Olivier Rœllinger, 65, der in Cancale (Bretagne) durch sein Gewürz-Genie 3 Sterne erkochte und seit 2009 als Vizepräsident von Relais & Châteaux 550 Köche weltweit vertritt. „Verändern wird sich auch das Bemühen um Gäste. Die Spitzengastronomie suchte nach Gästen mit immer mehr Geld, die von immer weiter her kamen.

Wenn es beispielsweise in Frankreich nicht mehr genug Engländer oder Deutsche waren, dann eben die Texaner, die Japaner und schließlich die Chinesen. Es kommt eine Zeit, in der das nicht mehr funktioniert. Wenn Restaurants Gäste aus der ganzen Welt begrüßen, aber der Mechaniker, der Arzt oder die Notabeln der eigenen Stadt wegbleiben, weil die Lokale zu teuer und zu abgehoben sind und nicht mehr zum Leben ihrer Region gehören, gerät die Gastronomie in eine äußerst fragile Situation. Kommen dann noch besondere Ereignisse (wie die Attentate und Demonstrationen der Gelbwesten in Paris) oder die Schließung der Grenzen hinzu, unterbricht das alle Gästeströme. Die Relais & Châteaux-Häuser in Italien hatten vor der Pandemie nur 10% italienische Gäste! Aber die Deutschen hatten 90% Deutsche! Wer widersteht dann einer Krise am besten? Wir müssen dazu zurückkehren, dass ein Restaurant wieder Teil seiner natürlichen und kulturellen Umgebung ist. Wir müssen die heimische Kundschaft zurückgewinnen und wir müssen nicht auf die weite Welt setzen, sondern in unserer Umgebung attraktiv sein und höchstens ein paar Autostunden entfernt werben…

Zu sagen, dass man gut essen muss, weil es gut für den Körper und den Planeten ist, reicht nicht aus. Wir müssen auch das kulinarische Vergnügen integrieren… Es ist eine ziemliche Herausforderung, weniger Fleisch zu verwenden, lokal, saisonal und ohne Abfall zu arbeiten. Die Rezepte für dieses neue Paradigma existieren nicht in Büchern oder in Hotelfachschulen, alles muss erfunden werden. Kochen wird mehr denn je davon leben, Natur in Kultur zu verwandeln“.

„EDLES HANDWERK“: MAGNUS NILSSON

„Ich gehe immer noch gerne zum Abendessen aus, aber ich bin nicht mehr so zufrieden wie früher. Nach einer Weile sehen Sie immer wieder die gleichen Dinge“, beklagt Magnus Nilsson, 36, der Ende 2019 sein gehyptes Restaurant Fäviken (2 Sterne) in Nordschweden schloss, seither einen 4400 m² großen Apfelgarten bewirtschaftet und Direktor der MAD Academy (für die Zukunft des Essens) in Kopenhagen ist.

„Ich unterscheide jetzt zwischen fake new und real new, also Imitation und echt Neuem. Mit dem Informationsfluss über Restaurants in den sozialen Medien ist Vieles so einfach zu reproduzieren, Konzepte und Gerichte bleiben nur kurz einzigartig. Aber das Handwerk, das ja eine fantastische Sache ist, wurde seit Jahren in den Restaurants übersehen, weil andere Dinge modischer und interessanter waren. Doch Kochen ist eine handwerkliche Beschäftigung und es gibt viel mehr Variationen im Handwerk, als die Gäste annehmen, und ich denke, wir werden in Zukunft eine größere Konzentration darauf erleben. Makelloses Handwerk kann man nicht einfach aus dem Internet nachempfinden, man muss es lernen, üben und dann können. Da die Gäste ja im Netz auch alles Neue sehen, werden sie künftig das große Handwerk beeindruckender finden.“

„FREUDE MACHEN“: HEINER FINKBEINER

„Auch nach Corona bleibt die unheilige Dreifaltigkeit aus ökologisch-ökonomisch-politischer Krise“, fürchtet Heiner Finkbeiner, 71, Patron der Traube Tonbach und deren legendärer Schwarzwaldstube. „Deshalb müssen wir Gastronomen unser Angebot so weit wie möglich mit jenem Quantum Lebensfreude anreichern, die die Krise da draußen den Menschen nimmt.“

Fotos: Les Maisons de Bricourt/MAD Academy/Traube Tonbach