„Trend: Pink ist nicht tot“ titelte zum Wochenende die Pariser Tageszeitung Libération und schrieb: „Rosa, das für einige ein Synonym für grelle Vulgarität oder Fadheit und für andere ein Zeichen des Widerstands angesichts der Düsternis der Umgebung ist, feiert diesen Sommer ein starkes Comeback in Mode, Design oder Gastronomie.“ Besonders auffällig sei Pink in den sozialen Netzwerken, die sich dem Bild widmen (Instagram, TikTok), wo #Barbiecore am 18. August 25 Millionen Aufrufe generierte. Für die rosa Zeiten in der Gastronomie nennt Libération zwei Beispiele: die abermillionenfach beguckte „Pink Sauce“ der TikTokerin Carly Pii aus Miami und die Beliebtheit der Farbe in der Zuckerbäckerei, am sichtbarsten im Erfolg der Isfahan-Torte des Pariser Pâtissiers Pierre Hermé.
Weltscharen von Internetnutzern hatten zugesehen, wie sich die 29-jährige Privatköchin aus Florida daran ergötzte, frittierte Hühnchen, Pommes frites oder Tacos mit ihrer hingebungsvoll verklärten Sauce zu beträufeln, deren Rezeptur sie ebenso geheim hielt wie ihren wahren Namen. Die wenigen kritische Zuschauer wunderten sich, dass die „Mayo mit Lebensmittelfarbe“ farblich zwischen kräftigem Fuchsia alias Magenta und dem hellen Pepto-Bismol der Werbung für den neuen Barbie-Film changierte. Den unzähligen Banausen ihres Publikums verkaufte Chef Pii, wie sie sich gerne nennen ließ, ihre weiche Masse als „Madonna oder Beyoncé der Saucendips“ – und musste auf ihren Plastikflaschen den Inhalt nach US-Lebensmittelvorschrift deklarieren: Sonnenblumenöl, Drachenfrucht, Knoblauch, Honig, Chili, Wasser, destillierter Essig, rosa Salz, Zitronensaft, Zitronensäure und Milch. Nach dem Verzehr klagten Kunden, die die Sendung offenbar ohne gekühlte Verpackung oder beschädigt erhalten hatten, über Krankheitssymptome bis hin zum Krankenhausaufenthalt – ein Shitstürmchen.
Als genaues Gegenteil der „Pink Sauce“ empfehlen sich die rosa Œuvres der Pâtissiers – vom rosa Marzipanschweinchen über Cupcakes, Eclairs und Macarons bis zu Pierre Hermés deliziöser Isfahan-Torte aus Buiskuit mit Rosenmacarons, Creme mit Rosenblättern, Himbeeren und Litschis. Die Kreation mit der nach der schönsten Stadt Persiens benannten Damaszenerrose war ein solcher Erfolg, dass er sie mittlerweile 40mal variierte, als Kuchen und Konfitüre, Madeleine und Macaron, Croissant und Sorbet… Der 60-jährige Doyen der Pâtisserie: „Wie auch immer ich es interpretiere, es ist es stets ein Verkaufsschlager. Die Farbe muss einer der Gründe für den Erfolg sein.“
In der Küche gibt es Rot und Lila, Pink ist Pâtisserie, sagt Hermé, für den „diese Farbe in keiner Weise mit einem Geschlecht verbunden ist. Pink ist Weichheit und Sinnlichkeit. Auf den ersten Blick könnte man denken, dass es weiblich ist, aber Isfahan-Liebhaber sind sowohl Männer als auch Frauen. Ich kenne Männer, die einen ganzen Isfahan alleine essen können.“ Der leicht magische Farbton gibt dem Pâtisserie-Liebhaber im Idealfall das sinnliche Gefühl, einen Strauß Rosen zu essen, wie offenbar nicht nur Hermé glaubt. Denn dieser Farbeffekt wird von seinen Kollegen, Köchen und Anderen, bis hin zur „Pink Sauce“, immer wieder gesucht. Er ist nur mit Lebensmittelfarbe zu erzielen und kann billig sein und aussehen wie bei industrieller Herstellung. Hermé beteuert, „er verwende ausschließlich natürlichen Farbstoff aus Radieschen, schwarzen Johannisbeeren und Äpfeln. Wir haben also immer dieses leicht verblasste Rosa.“ Nicht jeder in Paris nimmt ihm die Chemieferne ab, denn wer in seinem (Pleite gegangenen) Restaurant Huhn in Colasauce bot, muss mit Misstrauen leben.
Foto: La Maison Pierre Hermé Paris