In Paris am umtriebigsten ist derzeit Alain Ducasse: Das unfreiwillige Adieu im Plaza Athénée trieb ihn in den Aktionismus. Spektakulärstes Projekt: ein Pop-up-Lokal vom 10. November bis Ende Februar mit Albert Adrìa. Der Bruder und Molekularnachlassverwalter Ferran Adrìas hat nach seinen Pleiten in Barcelona ebenfalls rufnützende Publicity nötig. Das Joint Venture, in dem Ducasse seinen Plaza-Küchenchef Romain Meder kochen lassen will, firmiert als Admo im Restaurant Les Ombres au Musée du quai Branly – Jacques Chirac. (Ansonsten eröffnet er am 5. September seine Street food-Interpretation im Sapid an der rue de la Roquette. Noch neu sind die Manufacture de Glace in der rue de la Roquette und die Kreation der Kaffeemischung 1721 als Hommage an Mme. Pompadour.)
Die mehr oder weniger lange geschlossenen Monumente der Grande cuisine öffnen in den nächsten Tagen: Le Pré Catelan am 25. August, Pierre Gagnaire und Le Grand Restaurant von Jean-François Piège am 1. September, L‘ Ambroisie von Bernard Pacau (den ab 14. Oktober eine Biografie unter dem Titel „Une vie par le menu“ ehrt) am 7. September, Arpège von Alain Passard und Le Cinq von Christian Le Squer am 8. September, Yannick Alléno Mitte September, Epicure von Eric Frechon am 1. Oktober. Wie es mit wem im klassizistischen Kleinod Laurent (im Park des Champs-Èlysées) ohne den Ex-Drei-Sterne-Koch Michel Lorain weitergeht, entscheidet sich wohl erst, wenn die Stadt Paris (im November?) die künftige Zehn-Jahres-Konzession vergibt. Und Jean Imbert tritt als höchst überraschender Ducasse-Nachfolger erst im Dezember an den Herd für die Plaza-Gourmetklientel.
Als neue Hotel-Pretiose in der Pariser Umgebung locken neben dem prächtigen Luxus im Le Grand Contrôle am Schloss Versailles die liebeswürdige Domaine de Primard in Guainville – eine idyllisch im Gartenparadies gelegene Adelsresidenz aus dem 18. Jahrhundert, zuletzt fast 35 Jahre lang Domizil von Catherine Deneuve und nun zum Hideaway mit allem zeitgemäßem Charme herausgeputzt. Im Fine Dining-Restaurant Eglantine und im Bistro verantwortet Eric Frechon die Grande Cuisine, am Herd steht Yann Meinsel, zuvor 15 Jahre bei Jean-François Piège. Das Hotel ist eine Autostunde von Paris entfernt, den 30-Hektar weiten Garten gestaltete für die Deneuve der Landschaftsarchitekt Jacques Wirtz (der auch den Park um den Élysée-Palast in Paris designte), das neue Spa schuf Susanne Kaufmann (österreichische Naturkosmetik). Näheres: www.lesdomainesdefontenille.com
Im elsässischen Colmar zog Jean-Yves Schillinger, 58, mit seiner Zwei-Sterne-Küche ins neue Hotel l‘ Esquisse am Champ de Mars-Park. Für das Dutzend Tische im luftigen, verglasten Restaurant JY’s mit Parkblick bereitet er soufflierte Langoustine mit Piment d‘ Espelette auf einer Gemüse-Remoulade, gebratene Gänsestopfleber mit Sternanis oder Barbarie-Ente im Lack schwarzer Johannisbeeren mit vietnamesischen Frühlingsrollen. Sein bisheriges Lokal im „Klein-Venedig“ an der Ill lässt der einstige Robuchon-Mitarbeiter seinen Souschef als Bistro bord’eau weiterführen.
Endlich wieder drei Sterne im Elsass? Szenekenner erwarten sie für La Table d‘ Olivier Nasti au Chambard in Kaysersberg. Der bei Rœllinger in Cancale und Haeberlin in Illhäusern geformte gebürtige Lothringer hat bislang – vornehmlich für Gerichte mit Seefisch und Wild sowie Desserts – zwei Sterne. Dass es 2022 einer mehr wert wird, könnte auch daraus herrühren: Die Auberge de l‘Ill von Marc Haeberlin verlor ihn, ohne nachzulassen, das Buerehiesel in Straßburg lediglich durch den Generationswechsel und der Villa Lalique in Wingen-sur-Moder wurde er unverständlich verweigert – nun müsse sich der Michelin mal was einfallen lassen…
Schwarzes Schaf in Straßburg: Mauro Colagreco (gestählt bei Loiseau, Passard und Ducasse), der 2009 in seinem Mirazur in Menton an der Côte d‘ Azur „Koch des Jahres“ im Gault Millau wurde und 2019 den dritten Stern bekam, expandiert seit der Michelin-Auszeichnung auf großer Flamme. Letzten Monat eröffnete er in Straßburg die Pizzeria Pecora Negra, deren Format in Menton erprobt ist. Lieblingspizza des Grand chef: la genovese mit Pistou statt Pesto und dreierlei Käse (Chèvre, Comté, Mozzarella). Es gibt – 400 m vom Münster entfernt – aber auch kleine Gerichte mit Ölsardinen oder Gemüse bis hinauf zum Vitello tonnato.
Paul Stradner übernimmt bei Lalique in Wingen-sur-Moder die Führung in der Villa des von keinem Understatement befangenen Schweizer Kristall- und Weinmagnaten Silvio Denz. Hotelchefin Nicole Klein ging letztes Jahr in den Ruhestand, Ehemann Jean-Georges, der im Arnsbourg drei und hier zwei Sterne erkochte, schaut noch monatlich vorbei und übergibt per Jahresende ganz an Küchenchef Paul Stradner, der auch Hoteldirektor wird; der Österreicher hatte zuvor im Brenners in Baden-Baden ebenfalls zwei Sterne. Klein-Tochter Julie und Ehemann Patrick Meyer, die Hotel- bzw. Restaurantservice dirigierten, gehen ebenfalls. Als neuer Maître kommt Hervé Schmitt vom Relais de la Poste in La Wantzenau. Sommelier Romain Iltis bleibt und kommentierte die personellen Veränderungen mit einem großen Schluck in hauseigener Dezenz: „Wenn Barça die Spieler wechselt, ist es immer noch Barça“.
Foto:© Alain Ducasse