Letzten Juli investierten die weltgrößte Private-Equity-Firma Blackstone Group, die US-Entertainer Natalie Portman, Jay-Z und Oprah Winfrey sowie der frühere Starbucks-Chef Howard Schultz in einer filmreif inszenierten Finanzierungsrunde 200 Millionen $ in die schwedische Food Tech-Firma Oatly und bekamen dafür 10 % der Aktien (siehe Personalien, Portman). Das vor allem durch seine vegane Hafermilch bekanntgewordene Unternehmen wurde danach auf einen Börsenwert von 2 Mrd $ taxiert. Letzten Donnerstag führte Oatly bei seinem Börsendebüt an der New Yorker Nasdaq einen Blockbuster vor: Der Aktienkurs stieg von 17 auf 20,20 $, Oatly erlöste 1,4 Milliarden $ und erreichte einen Börsenwert von 12 Mrd. Dollar.
Das Sensationsergebnis erklären die Medien mit dem Markterfolg in 20 Ländern: Laut der Marktforschung von Nielsen und IRI stiegen 2020 z.B. die Umsätze gegenüber Vorjahr in Großbritannien um 99 %, in den USA um 182 und in Deutschland um 199 % – und in China meldete der Einzelhandel Zuwächse bis 1100 %. Was immer die Anleger an diesen stolzen Zahlen beeindruckt haben mag: Auf dem Weltmarkt der Milchsubstitute ist Oatly ein Nischenprodukt. Denn jeweils 40 % des Umsatzes machen der Milchersatz aus Soja oder Mandeln, in die restlichen 20 % teilt sich der Hafer mit Reis, Hasel-. Kokos- und Cashewnüssen sowie Hanf und Erbsen. Und so erfolgreich wie es in seinem vollmundigen Marketing wirkt, ist Oatly auch nicht: 1919 erwirtschaftete es einen Nettoverlust von 35,6 Mio $, 2020 von 60,4 Mio $.
Das sind ja bloß Peanuts, wenn man vergleichend werben kann, dass man bei seinem veganen Produkt vor Umweltbewusstsein und Nachhaltigkeit nur so strotzt: Pro Liter verbrauche man im Vergleich zur traditionellen Milchwirtschaft nur 3,4 statt 250 Liter Wasser, spare 79% an Land und 61% an Energie und verursache 69 % weniger Treibhausgase. Wortkarg nahm Oatly hingegen hin, dass es bei der (deutschen) Stiftung Warentest unter 18 Hafermilch-Angeboten hinter Kölln gemeinsam mit der Edeka Bio+Vegan-Reihe auf Platz 2 kam und sich den höchsten Kaloriengehalt nachsagen lassen musste. Völliges Stillschweigen bewahrt das schwedische Unternehmen über seinen Großaktionär China Resources (华润 huárùn). Der heutige Staatskonzern, 1938 in Hongkong zur Finanzierung von Maos Bürgerkrieg und Langem Marsch an die Macht gegründet, hält u.a. Beteiligungen in Branchen wie Kohlebergbau, Petrochemie, Zement und Stahl, die China zum weltgrößten Klimasünder machen. Der Konzern hält (nach dem New Yorker Börsengang) 23,8 % der Oatly-Aktien, ebenso viel wie die belgischen Risikokapitalgesellschaft Verlinvest; drittgrößter Anteilseigner ist mit 6,7% Blackstone, dessen CEO, Stephen A. Schwarzman, ein bekennender Fan des Klimawandel-Leugners Trump ist.
Mehr als diese imageschädlichen Herren im Hause, das für „Gesundheit und Nachhaltigkeit“ stehen, „den Klimawandel in den Griff kriegen“ und „das Bestreben, Menschen zu helfen und ihr Leben zu verbessern, immer vor dem rücksichtslosen Streben nach Profit“ stellen will, dürften dem Weltbeglücker aus Malmö die Konkurrenten zusetzen. Unilever verkündet große Pläne, Nestlé stellte schon sein Wundamittel vor. In nur neun Monaten entwickelt, setzt es auf gelbe Erbsen und wirbt mit seinem Eiweißgehalt; denn Ernährungswissenschaftler hatten Hafermilch wegen ihres schwachen Proteingehalts als schlechten Ersatz für Kuhmilch abqualifiziert. Wunda kommt zunächst in Frankreich, Holland und Portugal auf den Markt und demonstriert Nestlés offenkundigen Ehrgeiz, Ersatz für alle tierischen Lebensmittel zu entwickeln, ebenso wie die demnächst auch außerhalb der Schweiz erhältliche Neuentwicklung Sensational Vuna, eine Thunfischnachahmung auf Erbsenbasis, die so super schmeckt wie Supermarkt. Als nächstes ist Jakobsmuschel dran.
Die Aktivitäten der Foodkonzerne muss Start-ups à la Oatly nicht schrecken. Erstens haben sie den Vorteil, beim Retten der Menschheit und ihres Planeten glaubwürdiger als das traditionelle Big Business auf die Konsumenten zu wirken. Und zweitens sitzt das Geld der Investoren locker, wenn man den Dreiklang von Lebensmittel, Gesundheit und Nachhaltigkeit intoniert und dabei jünger und flotter wirkt als etablierte Unternehmen. Nicht minder wichtig ist, veränderte Verbraucherpräferenzen in die Welt der Medien zu setzen. Dann wird von Stern bis New York Times behauptet, dass vegane Ernährung im Mainstream ist. In Deutschland machen den aber bloß 1,4 bis 1,8 % der Bevölkerung aus, in den USA schwanken die Umfragen zwischen 3 und 6 %.
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