Sie machte den Amerikanern das Kochen, Backen und Dekorieren schmackhaft und erwarb bei ihrer unbeschwerten Küchenarbeit als Mutter aller Influencerinnen ausstrahlende Kompetenz für alles, was sie anfasste und anpries. 1996 zählte Time sie zu Amerikas 25 einflussreichsten Menschen, 2000 inthronisierte Forbes sie als Amerikas erste self-made Milliardärin. 2019 verkaufte sie, mit 78 auf einem prächtigen Anwesen im ländlichen Bedford bei New York lebend, ihre Firma Living Omnimedia und ihr geistiges Eigentum für gemunkelte 175 Mio $ an Marquee Brands. Dies New Yorker Marketingunternehmen lizensierte Martha Stewarts Namen und Empfehlung für die unterschiedlichsten Produkte: Gummibonbons, Turnschuhe, Knoblauch, Katzenstreu, Feuerzeuge, einen 12-$-Wein aus Kalifornien namens Martha‘s Mangold, kurzärmlige gesteppte Daunenwesten, Dünger, Pumpkin Spice-Coffee – und letzten August auch für ein Restaurant im US-Spielerparadies: das Bedford by Martha Stewart, neben dem Eingang zum Paris Las Vegas Hotel und Casino.
Sie ist damit zum ersten Mal in ein Restaurant involviert und nach eigenen Angaben für das Konzept des Caesars Entertainment gehörenden Lokals zuständig: von Design und Dekoration bis hin zu den Rezepten für „die gleichen Gerichte, die ich Familie und Freunden in meinem eigenen Haus serviere“. Nach angemessener Einarbeitungszeit für Küche und Service aß der Restaurantkritiker der New York Times, Pete Wells, in der 194-Plätze-Location, die „an dieser Straße kultureller Massenkarambolagen eine Oase der Ruhe ist“. Als erstes beeindruckte ihn, dass keine Gelegenheit ausgelassen wird, etwas auf einem Wagen an den Tisch zu rollen: von den Cocktails (Spezialität der Martha-tini aus Bison-Gras-Wodka, Wermut und Lemon Twist) bis zu den Sorbets, dazwischen sogar die Ofenkartoffeln.
Der kritische Wells vermisste bei den Austern Rockefeller die avisierte Pernodcreme, was dem gehackten Spinat und der Brunnenkresse eine Mulchgras-Textur verlieh, fand das Steak Tartare wie mit Honigsenf aromatisiert und das ohne Beilage schon 89,95 $ kostende Brathähnchen nicht mal mehr lauwarm. Ein Schaufenster der Backkünste hingegen der Brotkorb, der von der Kirschfocaccia bis zu den schneeschuhförmigen Crackern mit Salbeiblättern und dünn rasiertem Gemüse in der Kruste seine 11,95 $ wert war. Und ausgezeichnet Big Martha‘s Pierogis (als Hommage an ihre polnische Mutter) mit Kartoffel-Schalotten-Füllung und brauner Buttersauce. Den Rest fand er zwischen langweilig und sorglos zubereitet. Und so sinnierte er, dass es immer zwei Marthas gab: Martha die Mächtige und Martha die Geschmackvolle. Sie schöpften Kraft voneinander, sie brauchten einander. Beim Essen im Bedford könne man immer wieder erkennen, dass Martha die Mächtige ihren Namen einem Restaurant gab, dessen Details niemals die Zustimmung von Martha der Geschmackvollen finden würden.
PS: Es gibt noch eine dritte Martha, die dieses Jahr, mit 81, noch wie eine Königin der Generation Alterslos für eine japanische Kosmetikfirma Werbevideos in Küche, Bad und am Pool drehte. Die faltenfreie Großmutter rühmt sich: „Ich hatte noch nie eine plastische Operation.“ Aber sie hat zwei New Yorker Dermatologen. Den Dr. Daniel Belkin mit Laser für Rötungen, sanfte Hauterneuerung und braune Flecken, Füllstoffen für Volumen und Kollagenstimulation, hochfrequentem und mikrofokussiertem Ultraschall zum Auffrischen des Brauenbereichs und Anheben, Straffen und Auffüllen unterm Kinn sowie weicher Hyaluronsäure für die Lippen, mehr für die Hydratation als fürs Auffüllen. Und den Dr. Dhaval Bhanusali für ein ganzheitlich fundiertes, mit CBD angereichertes feuchtigkeitsspendendes Serum, beruhigenden Nebel und eine Nachtcreme.
Foto: Bedford by Martha Stewart