Vor einem Jahrhundert warb die United Fruit Company dermaßen enthusiastisch und schönfärberisch für ihre ungeahnt gesunden Import-Bananen, dass sie Zweierlei in den USA auslöste: einen Bananendiät-Wahn und die Wortschöpfung „Superfood“. Bis zum nächsten gehypten Nahrungsmittel dauerte es Jahrzehnte: Das wurden die Blaubeeren, nachdem 1991 staatliche US-Forschung den hohen Antioxidantien-Anteil in dem Obst gemessen hatte und es wegen deren Wirkung gegen die schädlichen freien Radikalen im Körper bis zum Mittel gegen Krebs, Gehirn- und Herz hochjubeln ließ. Mittlerweile erscheint gefühlt monatlich ein neues Superfood.
Denn die Lebensmittelindustrie kann längst davon profitieren, dass die sonst so zugeknöpften Verbraucher für Lebensmittel, die als gesund empfunden werden, mehr zahlen. Besonders wenn ihnen Vorbeugung gegen Fettleibigkeit, Diabetes, Bluthochdruck oder hohen Cholesterinspiegel vorgegaukelt wird. Die Mechanismen für die Markteinführung und zügigen Absatz funktionieren wie geschmiert: Irgendwelche wissenschaftliche Recherchen zum hohen Anteil an wünschenswerten Nährstoffen eines neuen Produkts gibt’s problemlos, Statements von Promis, Infomercials und Marketingkampagnen sind reine Routine, einprägsame Schlagzeilen aus der flotten Publikumspresse kommen flugs – und die virale Geschwindigkeit der Social Media lässt keinen Erfolg auf sich warten. Vor allem nicht in Deutschland, dem nach den USA super-gläubigsten Markt.
Weltweit meinen 80 % der Konsumenten, mit ihren Nahrungsmitteln Gesundheitsproblemen und Erkrankungen vorzubeugen. Vor allem deshalb stieg zwischen 2011 und 2015 laut einer Studie der global agierenden Mintel-Marktforschung die Zahl der in Deutschland eingeführten Lebensmittel- und Getränkeneuheiten mit dem selbstverliehenen Qualitätsmerkmal Superfood, Superfruit, Super Grain, Supergreen oder Superseed um 433 %. Für das, was sich an dem Food als super behaupten lässt, bedarf es keiner wissenschaftlichen Beweise oder rechtlichen Erfordernisse. Es gibt auch keine offizielle Definition. Bei besagten Blaubeeren mussten die US-Institutionen aufgrund wissenschaftlicher Widerlegung ihre euphorischen Aussagen zurücknehmen. Dem Ruf der Beeren schadete das nicht: Die Produktion in den USA verdoppelte sich bis 2006 und stieg noch bis 2016. Super auch die Zunahme der ca. 75 Superfoods: Açai, Mandel, Avocado, Brokkoli, Kakao, Chiasamen, Eier, Knoblauch, Goji, Grüner Tee, Grünkohl, Kefir, Mangostan, Granatapfel, Lachs, Algen, Weizengras, Moringa (-Meerrettich), Seetang, Ingwer, Gerste, Kurkuma, Matcha, Hafer, Kichererbsen… Wie nützlich die im Einzelnen auch sind, insgesamt haben die Superfoods einen höheren Marketing- als Nährwert.
Vergleichsweise geht’s den Superfoods wie den Superstars. Das waren mal die Allergrößten unter den Hollywoodstars, heute zählt die deutsche Provinz- und Boulevardpresse dazu auch Jan-Marten Block, einen Rocksänger aus Niebüll, den an der Dresdner Comödie engagierten Prince Damien oder den Berliner Fußballer Suat Serdar – denn auch der Superstar ist kein solider Wert.
Illustration: United Fruit Company